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Zur aktuellen Situation der Suizidhilfe

Entwicklung in den Niederlanden und in Deutschland

Die Niederländer gelten als Pragmatiker. Seit den 1980er Jahren wurden dort Einzelfälle ärztlicher Sterbehilfe zunächst nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Am 9. Februar 1993 erließ die Regierung eine Festschreibung des Meldeverfahrens für Sterbehilfefälle. 2001 erfolgte dann die gesetzliche Normierung der in den Niederlanden als "Euthanasie" bezeichneten Praxis, die in Deutschland meist mit "aktiver Sterbehilfe" übersetzt wird. Praktiziert wird unter dieser Bezeichnung in erster Linie die Tötung auf Verlangen ("den Tod geben") und am Rande auch die ärztliche Hilfe zum selbst durchgeführten Suizid.

Dazu ein hier nachzuhörender Zeitzeichen-Beitrag im Westdeutschen Rundfunk. Die Autorin Daniela Wakonigg betonte die zugrundeliegenden Sorgfaltskriterien und den Widerstand gegen Kirche und konservative Politiker. Aspekte zu der weiteren Entwicklung, die heute auch niederländische Vorkämpfer der Sterbehilfebewegung kritisch sehen, blieben weitestgehend ausgeblendet.

Was in diesem Zusammenhang jedoch nicht unerwähnt bleiben darf: Vor einem Jahr haben ca. 150 Ärzt_innen in den Niederlanden eine Petition gegen die aktive Tötung von Demenzpatienten unterzeichnet.

"Unsere moralische Abneigung, das Leben eines wehrlosen Menschen zu beenden, ist zu groß", schreiben sie darin.

Zu den Initiatoren gehört der berühmte Psychiater und Autor Boudewijn Chabot. Er ist ein Pionier des niederländischen Euthanasiegesetzes, welches er auch nicht wieder abschaffen will, aber inzwischen für "entgleist" hält.

Unabhängig von dieser Kritik hatte die niederländische Gesundheitsministerin Edith Schippers Ende 2015 aktive Sterbehilfe auch bei fortgeschrittener Demenz gestattet, wenn vor Beginn der Krankheit eine entsprechende Patientenverfügung ausgestellt wurde. 

In Deutschland wird das Rad der Liberalisierung hingegen zurückgestellt. Im Februar 2018 legt die Staatsanwaltschaft Hamburg Revision gegen den Freispruch des Arztes Dr. Johann F. Spittler ein – mit hanebüchenen "juristischen" Begründungen mehr

Hospiz des Humanistischen Verbandes – atheistisch sterben?

Unter diesem Titel berichtete die Länderzeit des Deutschlandfunk mit ausführlichen Interviews über den Alltag in einem stationären Hospiz des Humanistischen Verbandes in Berlin. Eindrucksvoll kommt die dort praktizierte Kultur der menschlichen Zuwendung, Offenheit und Lebensbejahung zum Ausdruck.

Eine Fragestellung der Autor_innen nach der Besonderheit der humanistischen Trägerschaft war die zum Selbstverständnis, wonach der Vorrang der Selbstbestimmung gegenüber dem Lebensschutz zu gelten habe. Es bleibt ein Spannungsverhältnis zwischen Hospizkultur und Haltung des Humanistischen Verbandes zur Ablehnung von einschränkenden Suizidhilfegesetzen und -regelungen bestehen. Auch im humanistischen Hospiz wird, so wurde betont, "aktive Sterbehilfe" abgelehnt. Leider fragten die Autor_innen Eva-Maria Götz und Jürgen Wiebicke nicht nach, ob sich dies auch auf das Zulassen einer selbstverantwortlichen Selbsttötung beziehungsweise das sogenannte Sterbefasten in suizidaler Absicht bezieht. Denn dass die strafbare Tötung auf Verlangen ausgeschlossen ist, entspricht der geltenden Rechtslage und darf demgegenüber als selbstverständlich gelten.

Aus der Anmoderation des Deutschlandfunks:

"Der größte Teil der deutschen Hospize befindet sich in kirchlicher Trägerschaft, etwa von Diakonie oder Caritas. Neben diesen, einem christlichen Welt- und damit Jenseitsbild verpflichteten Organisationen engagiert sich auch der Humanistische Verband im Hospizwesen. Er versteht sich als konfessionslos und freidenkerisch und wurde in Berlin soeben als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt und damit den großen Kirchen gleichgestellt. Ein selbstbestimmtes, emanzipatorisches Leben zu unterstützen, ist Sinn und Zweck des Verbandes. Das schließt auch das Recht auf einen selbstbestimmten Tod mit ein…"

Der Beitrag ist hier nachzuhören.

Hamburger EX-Senator Kusch will wieder beim Suizid helfen

Der Ex-Justizsenator will nach drei Jahren Pause wieder Todescocktails für eine organisierte Suizidbegleitung in Deutschland anbieten – über den Umweg seiner Schweizer Dependance. Das berichte das Hamburger Abendblatt vom 29. Januar 2018:

"Der Verein Sterbehilfe Deutschland will seine Mitglieder beim Suizid in der Bundesrepublik wieder unterstützen. Aus Respekt vor älteren und kranken Mitgliedern habe die Organisation ihre Statuten geändert, erklärte der Vorsitzende des Vereins mit Sitz in Hamburg, Roger Kusch, am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Verein wolle nicht länger auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über Freitodhilfe warten. […] Der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch erklärte, in Zukunft könnten sterbewillige deutsche Mitglieder mit einem Angehörigen in die Geschäftsstelle des Vereins nach Zürich reisen."

Aufklärungsarbeit des Humanistischen Verbandes (HVD)

HVD Landesverbände klären über die derzeitige Lage zur Suizidbegleitung in Deutschland mit Vorträgen und Podien auf: In Marburg am 25. März (15 Uhr Filmkunsttheater am Steinweg) und in Berlin am 26. März (16 Uhr in der Urania). Die Veranstaltungen beginnen jeweils mit der 30 minütigen ARD-Filmdokumentation (dazu freier Eintritt) "Frau S. will sterben". Anwesend sein wird jeweils ihr Sohn Olaf, der seine Mutter 2016 beim Freitod begleitet hat

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Gita Neumann
Redakteurin des Newsletters Patientenverfügung