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Religionsfreie Geflüchtete: Bedrohung setzt sich in Deutschland fort

Jasmina*, Ende zwanzig, ist aus Syrien geflohen und wohnt zurzeit in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin. Sie lebt religionsfrei und verzichtet deshalb auf religiöse Kleidungsstücke. Von Mitbewohner_innen in ihrer Unterkunft wird sie deshalb immer wieder unter Druck gesetzt und als Schlampe beschimpft.

Als Hussein, ein kurdischstämmiger Syrer, bei über 30 Grad auf der Sonnenallee einen Schluck Wasser trank, wurde er plötzlich von muslimischen Passant_innen bedrängt. Er brach in ihren Augen die Fastenregeln im Ramadan und wurde als "schlechter Muslim" beschimpft. Dabei ist er nicht gläubig und fühlt sich an diese Regeln nicht gebunden.

Bassam war in seinem Herkunftsland auf der arabischen Halbinsel als säkularer Aktivist aktiv. Deshalb wurde er staatlich verfolgt und floh nach Deutschland. In der Flüchtlingsunterkunft, in der er zunächst untergebracht wurde, erzählte er seine Geschichte und wurde daraufhin von anderen Anwohner_innen als Ungläubiger mit dem Tod bedroht.

In Berlin erleben areligiöse und religionsferne Geflüchtete auch Monate und Jahre nach ihrer Ankunft Verfolgung und Bedrohung. Der Welthumanistentag am 21. Juni bietet einen guten Anlass, um auf die Situation dieser Menschen aufmerksam zu machen.

Labidi, Koordinatorin der Projekte für und mit geflüchteten Menschen im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR
Foto: Die Hoffotografen GmbH Labidi, Koordinatorin der Projekte für und mit geflüchteten Menschen im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR

"Es kann nicht sein, dass Menschen, die aufgrund ihrer aufgeklärten und säkularen Einstellungen aus ihren Heimatländern fliehen mussten, nun aus denselben Gründen auch hierzulande Drangsalierungen und Bedrohungen ausgesetzt sind. Leider passiert dies aber tagtäglich", erklärt Katja Labidi, Koordinatorin der Projekte für und mit geflüchteten Menschen im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR.

Um diesen Menschen eine Stimme zu geben und auf das Problem ihrer anhaltenden Gefährdung aufmerksam zu machen, hat der Verband den Arbeitskreis "Humanistische Geflüchtete" mitinitiiert.

"Viele trauen sich selbst im vermeintlich sicheren Deutschland nicht, sich zu ihrem Nichtglauben zu bekennen. Wir fordern den Berliner Senat dazu auf, dieses Problem anzuerkennen und für eine sichere Unterbringung dieser Menschen zu sorgen, so wie er dies bereits mit queeren Flüchtlingen macht", erklärt Labidi weiter.

Florian Zimmermann, Präsident des Humanistischen Verbands Deutschlands
Foto: Konstantin Börner Florian Zimmermann, Präsident des Humanistischen Verbands Deutschlands

"Der deutsche Staat ignoriert bisher vollkommen, dass Menschen in einigen Regionen auf dieser Welt aufgrund ihrer Nichtreligiosität verfolgt werden", erklärt Florian Zimmermann, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands. "Die deutsche Asylgesetzgebung schützt zwar ausdrücklich Menschen, die aufgrund ihrer Religion verfolgt werden, aber nicht jene, die aufgrund ihrer Nichtreligiosität verfolgt werden."

Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg KdöR begleitete 2017 etwa den Fall eines Irakers, dem in Deutschland Asyl verwehrt wurde, obwohl er im Irak wegen seiner Nichtreligiosität verfolgt wurde.

Jährlich belegt der Meinungsfreiheitsbericht der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union die weltweite Verfolgung und Benachteiligung von Humanist_innen, Atheist_innen und Nichtreligiösen. Der "Freedom of Thought Report" dokumentiert Missstände in Bezug auf die Rechte, den gesetzlichen Status und die Benachteiligungen in mehr als 180 Staaten.

Demnach existieren in 55 Ländern bis heute gesetzliche Verbote, die "Gotteslästerung" mit schweren Strafen bedrohen. 22 Länder kriminalisieren die Abkehr von einer Religion und in 13 Ländern riskieren Menschen den Tod, wenn sie sich als nichtreligiös bekennen. Besonders in islamischen Ländern sowie Ländern mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil werden Religionsfreie und Humanist_innen systematisch verfolgt.

"Während es für Verfolgung religiöser Minderheiten ein öffentliches Bewusstsein gibt und dies von der Weltgemeinschaft verurteilt wird, bleiben Religionsfreie und Humanist_innen, die wegen ihrer Nichtreligiosität verfolgt werden, bisher weitgehend unsichtbar. Dabei sind sie besonders brutalen Attacken ausgesetzt", erklärt Gary McLelland, geschäftsführender Direktor der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union.

Wir würden uns freuen, wenn Sie den Welthumanistentag am 21. Juni zum Anlass nehmen, über die Situation von religionsfreien Geflüchteten in Berlin und weltweit berichten.

Wir vermitteln gern Interviews mit Gary McLelland, geschäftsführender Direktor der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union, sowie Katja Labidi, Projektkoordinatorin der Geflüchtetenprojekte im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR. Bitte stellen Sie Ihre Anfrage bis zum 20.06.2018, 18 Uhr an presse@hvd-bb.de. Gerne bemühen wir uns, religionsfreie Geflüchtete als Interviewpartner_innen zu vermitteln.

Der Welthumanistentag ist ein anerkannter weltanschaulicher Feiertag in Berlins Schulen. Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg feiert an diesem Tag "ein Fest für freie Geister" in der Wallstraße. Gary Mc Lelland wird bei diesem Fest um 16.20 Uhr ein öffentliches Interview geben.

Zudem findet um 17.00 Uhr die Veranstaltung "Verfolgte Humanist_innen" in der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg, Brückenstraße 5a, 10179 Berlin statt, an der sich Betroffene beteiligen. Diese wird vom Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. in Kooperation mit der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg e.V. und dem Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR organisiert.

*Die Namen der betroffenen Personen sind aus Sicherheitsgründen redaktionell geändert.

Kontakt

Jonathan Haufe
Recruiting

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