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Wir wurden von Eltern, Politik und unseren Mitgliedern gedrängt, eine Alternative zum Religionsunterricht in Brandenburg anzubieten.
Foto: Christoph Eckelt Wir wurden von Eltern, Politik und unseren Mitgliedern gedrängt, eine Alternative zum Religionsunterricht in Brandenburg anzubieten.

Eine zentrale Person bei der Einführung des LER-Unterrichts in Brandenburg, aber auch des verbindlichen Ethik­unterrichts in Berlin, war der 2011 gestorbene Bildungspolitiker Gerd Eggers. Der gebürtige Oldenburger gehörte zu denen, die sich kurz nach der Wende im Haus des Lehrers mit anderen Bildungsexperten zusammentaten, um neue Konzepte zu entwickeln, die den Schüler_innen eine bewusste Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Fragen ermöglichten. Er brachte uns mit dem Fachverband Ethik zusammen und formulierte die entscheidenden Leitlinien für das offene und zugewandte Nebeneinander von LER und Humanistischer Lebenskunde. "Wir waren sehr froh, dass dies gelang, denn das Fach LER sahen wir nie als Gegner, sondern immer als wichtiges schulisches Angebot für alle Schüler_innen", erinnert sich Werner Schultz. "Unser Unterrichtsangebot verstanden wir immer als freiwillige Ergänzung, die – wie der Religionsunterricht für gläubige Menschen – nichtreligiösen Familien Gelegenheit gibt, ihren Kindern die humanistische Weltsicht zu vermitteln."

Hier treffen die Geschichten von Heike Kuschmierz und Werner Schultz zusammen. Kuschmierz wurde von uns gebeten, den Aufbau von Humanistischer Lebenskunde in Brandenburg zu begleiten. Während wir intensive Diskussionen mit dem Fachverband LER führten, um das Problem einer möglichen Konkurrenz zu minimieren, suchte Kuschmierz nach Lehrkräften, erarbeitete einen an die Brandenburger Situation angepassten Rahmenlehrplan und führte Gespräche mit interessierten Schulen.

"Wir begannen ganz klein, mit nicht mehr als 200 Schüler_innen an insgesamt neun Schulen", erinnert sich die 54-jährige Wahlbrandenburgerin. Bis zum Ende des Schuljahres 2007 wurde Humanistische Lebenskunde in 16 Arbeitsgemeinschaften unterrichtet. Finanziert wurde der Unterricht mit Lottomitteln des Landes Brandenburg. Für das Schuljahr 2007/2008 schloss das Land Brandenburg erstmals eine Vereinbarung mit uns, die analog zu den Kirchen den humanistischen Werteunterricht als freiwilliges Unterrichtsfach an den Brandenburger Schulen etablierte. Erst im vergangenen Dezember wurde diese erneuert und die Finanzierung für Kirchen und unseren Verband verbessert. Wie schief dabei das Verhältnis ist, zeigen die nackten Zahlen: Von dem erhöhten Zuschuss um 1,1 Millionen Euro jährlich erhalten wir 45.000 Euro, die beiden Kirchen teilen sich etwas mehr als eine Million Euro.

Elke Blumberg unterrichtet seit 2010 an zwei Schulen in Märkisch-Oderland Humanistische Lebenskunde. Sie macht deutlich, dass die größte Herausforderung in den Rahmenbedingungen liegt, die sie in den Schulen vorfindet. "Der Lebenskundeunterricht findet auch zehn Jahre nach seiner Einführung in Brandenburg meist in den Randstunden statt, also erst nach der vierten Unterrichtsstunde. Das macht uns die Arbeit nicht unbedingt ein­facher", erklärt die Lehrerin. Der humanistische Unterricht stehe so auch immer in Konkurrenz zum Hortangebot oder den Schul-AGs am Nachmittag. Beeindrucken lässt sie sich davon aber nicht. "Was soll ich lamentieren?", fragt sie. "Ich arbeite lieber weiter kontinuierlich daran, mit unserem Angebot in den Vormittagsbereich zu kommen. Solange das nicht der Fall ist, nutze ich die Freiheit unserer späteren Stunden. Dann gehe ich mit den Schüler_innen auch mal aus der Schule raus oder stoße mit ihnen neue Projekte in der Schule an." So hat Elke Blumberg zahlreiche Kooperationen mit außerschulischen Institutionen initiiert, etwa mit dem Kreiskinderjugendring, dem lokalen Familienbündnis oder dem ehrenamtlichen Helferkreis für geflüchtete Familien. "Die Zusammenarbeit in diesen Netzwerken erhöht wiederum unsere Präsenz und damit auch die Chance einer besseren Integration des Lebenskundeunterrichts an der Schule."