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Begründung der Jury

Für Christoph Hein ist der Autor ein "Chronist seiner Zeit". Als Chronist "darf er den Blick nicht senken, muß alles wahrnehmen und aufzeichnen können". Diese "seine Wahrheit" muss der Autor "notfalls auch gegen den Geschichtsverlauf" aussprechen, seine Erfahrungen muss er selbst dann offenlegen, "wenn sie gegen den Zeitgeist stehen".

Einem solchen Schreibansatz folgt Christoph Hein auch in seinem neuen Roman "Weiskerns Nachlass". Mit und an dessen Protagonisten zeigt sich, wie trügerisch soziale Sicherheit in der Gegenwart sein kann und welche Rolle die (Geistes)Wissenschaften in einer auf Materielles orientierten Welt spielen. Das Beobachten, das Registrieren, das Aufzeichnen erfolgt dabei – für Christoph Hein und Uwe Johnson kennzeichnend – "ohne Haß und Eifer", mithin "gelassen und unparteiisch". Hein und Johnson liegen mit ihrem Beobachten und Erzählen dicht nebeneinander.

Sein spielerisches Erzählen, das die erfundene Geschichte der Hauptfigur zu einem "Was-wäre-wenn-Spiel" macht, zeigt die hohe Imaginationskraft und die meisterlich eingesetzte Ironie in der Literatur von Christoph Hein. Wie wenige Autoren in der deutschen Gegenwartsliteratur hält Christoph Hein mit seinem Roman an einem gesellschaftskritischen Anspruch von Literatur fest.

Prof. Carsten Gansel, Vorsitzender der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft