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  •   Britta Licht ist sich sicher, dass der Fachkräftemangel nur behoben werden kann, wenn Erzieher_innen besser bezahlt werden.
    Foto: Konstantin Börner Britta Licht ist sich sicher, dass der Fachkräftemangel nur behoben werden kann, wenn Erzieher_innen besser bezahlt werden.

Humanistische Kindertagesstätten – eine gute Adresse

Wenn es nach Britta Licht geht, sind die Humanistischen Kindertagesstätten mit ihrem kindorientierten pädagogischen Ansatz in nicht allzu langer Zeit eine feste Größe in der Berliner und Brandenburger Kitalandschaft. Vorher gibt es aber noch einiges zu tun. Ein Gespräch über notwendige Investitionen, das Ringen um Fachkräfte und gleiche Chancen für alle Familien.

Frau Licht, die Humanistischen Kindertagesstätten haben 2017 verstärkt investiert, um die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Warum wollen Sie mehr Aufmerksamkeit?

Wir wachsen seit Jahren. Inzwischen haben wir 25 Kindertagesstätten und vielfältige Erfahrung­en. Wir sind einer der großen Kita-Träger in Berlin, aber wenige nehmen das wahr. Das wollen wir ändern. Wir möchten, dass man uns sieht, auf uns aufmerksam wird und uns Fragen stellt.

Was für Fragen sollen Ihnen gestellt werden?

Na beispielsweise, was uns von den anderen Kitas unterscheidet, was genau humanistische Pädagogik ist oder wie wir unseren Anspruch einer kindorientierten Erziehung im Alltag umsetzen.

Was genau unterscheidet denn eine Humanistische Kindertagesstätte von anderen Kitas?

In den Humanistischen Kindertagesstätten fragen wir danach, was ein Kind braucht. Wir suchen nicht nach Schwächen, die wegtrainiert werden müssen, sondern schauen, was das Kind für Stärken hat und bauen auf diesen auf. Deshalb begeben wir uns immer wieder in die Perspektive der Kinder, erforschen mit ihnen die Welt, hinterfragen Dinge, die sie erleben und unterstützen sie spielend bei ihrer Entwicklung. Nicht umsonst heißt unser Motto "Wir spielen, forschen, fragen". Darüber hi­naus sind wir sehr offen, schließlich haben wir Kinder mit ganz verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen. Wir nutzen diese Vielfalt als Potential, um den Austausch zwischen den Kindern anzuregen und Neugier am Menschen zu entwickeln.

Was bedeutet es, wenn Sie sagen, die Humanistischen Kindertagesstätten sollen sichtbarer werden?

Momentan ist es so, dass nicht alle auf den ersten Blick als Humanistische Kindertagesstätten erkennbar sind. Das wollen wir gern ändern, so dass man künftig schon von Weitem gut erkennen kann, dass es sich bei unseren Häusern um Humanistische Kindertagesstätten handelt. Wir haben beispielsweise über selbstleuchtende Stelen und über gestaltete Fahrradständer nachgedacht. Hört sich einfach an, ist aber bei 25 Häusern mit beträchtlichen Investitionen verbunden. Da gilt es, genau zu prüfen, was möglich ist, wo wir Unterstützung brauchen und was unsere Haushandwerker lösen können.

Greift das Auf-sich-aufmerksam-machen der Humanistischen Kindertagesstätten schon?

Das ist schwer zu messen, wir machen ja keine Umfragen unter den Anwohner_innen rund um unsere Kitas. Aber wir stellen fest, dass uns Familien immer bewusster auswählen, wenn sie einen Kitaplatz in Berlin bekommen – weil unser Menschenbild ihrer Lebenseinstellung entspricht oder weil sie unsere offene, kindorientierte Arbeit gut finden.

Stichwort: einen Platz in einer Berliner Kita bekommen. Ich weiß, dass es auch in unseren Kindertagesstätten freie Plätze gibt, die nicht vergeben werden. Woran liegt das?

Das liegt zu 95 Prozent daran, dass wir wie alle anderen Träger in der Stadt sehr große Probleme haben, Fachkräfte zu finden. Wenn Fachkräfte fehlen, sind wir gezwungen, Plätze zu reduzieren, um den Betreuungsschlüssel zu halten. Der Fachkräftemangel trifft uns wie alle anderen stark. Um uns im Wettbewerb um die besten Fachkräfte von anderen Kita-Trägern positiv abzuheben und als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren, investieren wir auch verstärkt in Öffentlichkeitsmaßnahmen.

Wir suchen nicht nach Schwächen, die ­wegtrainiert ­werden müssen, sondern schauen, was das Kind für Stärken hat und bauen auf diesen auf.
Foto: Konstantin Börner Wir suchen nicht nach Schwächen, die ­wegtrainiert ­werden müssen, sondern schauen, was das Kind für Stärken hat und bauen auf diesen auf.

Den Fachkräftemangel können wir nicht allein lösen. Was erwarten Sie hier von der Politik?

Zum einen muss sich die Bezahlung von Fachkräften ändern. Auch wenn Geld nicht alle Probleme löst, bin ich mir sicher, dass wir ohne diese Anerkennung für den Beruf nicht erfolgreich für eine pädagogische Tätigkeit werben können. Die gegenwärtige Bezahlung ist ein Grund, warum sich nicht ausreichend Menschen für diesen Berufsweg entscheiden. Zum anderen wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht ausreichend nachgesteuert, was die Ausbildung von Fachkräften betrifft. Da wurden politische Fehler gemacht, die wir so kurzfristig nicht werden lösen können. Eine Ausbildung dauert nun mal ein paar Jahre. Ich bleibe aber dabei: Wenn sich an der Finanzierung des Berufs nichts ändert, werden auch alle begleitenden Maßnahmen nicht viel helfen.

Unsere Kindertagesstätten geben aktuell auch viel Geld für Leasingkräfte aus, mit denen personelle Ausfälle kompensiert werden. Das wirkt sich auf die pädagogische Qualität aus. Wie fangen Sie das auf?

Da will ich ganz ehrlich sein. Uns gelingt das nicht immer so, wie wir das gern möchten. Sobald wir eine bestimmte Quote nicht ausgebildeter Fachkräfte einsetzen, müssen das die Teams ausgleichen. Denn sowohl Quereinsteiger als auch Auszubildende brauchen Anleitung in den jeweiligen Einrichtungen. Die Teams vor Ort stellt das mitunter vor enorme Herausforderungen und die individuelle Arbeitslast steigt, was dann wiederum zu Erkrankungen und Ausfall führt. Hier setzen wir dann Leasingkräfte ein, aber mit diesen Springer_innen ist Bildungsarbeit nach unseren Vorstellungen kaum zu leisten. Das ist ein enormer Spagat, den wir da zu machen haben. Der Senat möchte nun die Qualitätsanforderungen an Kitas ja noch einmal erhöhen. Das begrüße ich im Grundsatz. Aber solange das Personal fehlt, sehe ich nicht, wie das gelingen soll.

Wie werden denn die Auszubildenden aus unserer Fachschule in unseren Kindertagesstätten integriert?

In jeder unserer Einrichtungen werden Auszubildende eingesetzt. In welchem Ausmaß, das variiert von Kita zu Kita. Erst gestern war ich in einem unserer großen Häuser, wo die Kolleg_innen sehr gerne mit den Auszubildenden zusammenarbeiten und mir gesagt haben, dass sie im Sommer eine sechste Auszubildende in ihr Team aufnehmen wollen. Bei dieser Integration ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass unsere Fachschüler_innen auch nach Abschluss ihrer Ausbildung in der Kita beschäftigt werden können, in der sie während ihrer Ausbildung waren.

Das Thema "Sexuelle Vielfalt in Kitas" wurde zuletzt viel diskutiert. Wie wird in den Humanistischen Kindertagesstätten damit umgegangen?

Ich kann diese Diskussion überhaupt nicht verstehen, denn bei uns wird das schon seit Jahren gelebt. Die Kinder in unseren Einrichtungen kommen doch aus ganz unterschiedlichen Familien. Da gibt es Kinder aus der klassischen Familie, Kinder, die mit getrennten Eltern oder mit mehr als zwei Elternteilen aufwachsen, es gibt Kinder mit zwei Müttern und Kinder mit zwei Vätern. Wenn wir damit keinen Umgang im Alltag fänden, könnten wir unsere am Kind orientierte Arbeit doch gar nicht machen.

Wo stehen denn die Humanistischen Kindertagesstätten in zehn Jahren in Berlin und Brandenburg?

Wir sind jetzt schon einer der größten Kita-Träger in Berlin. Das bleibt auch so. Ich sehe zudem, dass wir auch in Brandenburg eine wichtige Rolle einnehmen. In zehn Jahren wird man in Berlin und Brandenburg wissen, wer die Humanistischen Kindertagesstätten sind, weil sie zu den stark nachgefragten Einrichtungen gehören. Ganz egal, ob bei Eltern, Pädagog_innen oder Verwaltung, unsere Kitas werden eine gute Adresse sein.

Dieses Interview ist im Geschäftsbericht 2017 des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg erschienen.

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Britta Licht
Leitung der Abteilung Humanistische Kindertagesstätten