"Der Auftrag, die althistorischen Staatsleistungen abzulösen, wird von einer kirchenfreundlichen Politik ganz offensichtlich missachtet", beklagt Jan Gabriel, Präsident im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg KdöR. "Indem die politischen Verantwortungsträger die Ablösung der Staatsleistungen seit Jahrzehnten aussitzen und sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben, verhalten sie sich verfassungswidrig. Mit ihrem Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern brechen sie nicht einfach nur gemeinsam die Verfassung, sie haben sich vielmehr strukturell in diesem Verfassungsbruch eingerichtet", ergänzt Gabriel.
Er fordert, dass das Geflecht von Gesetzen und Verträgen zwischen Staat und den Kirchen transparent gemacht und den tatsächlichen Verhältnissen unserer modernen, vielfältigen und zunehmend säkularen Gesellschaft angepasst wird.
In Berlin erhalten EKBO und Erzbistum seit Jahren zwischen zehn und zwölf Millionen Euro jährlich. Seit 2006 sind insgesamt mehr als 115 Millionen Euro aus den öffentlichen Steuergeldern an die Kirchen überwiesen worden. Diese Gelder enthalten nicht die Kirchensteuer und werden für innerkirchliche Zwecke zur freien Verfügung gestellt.
Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg setzt sich für eine Neuregelung staatlicher Zuwendungen an religiöse und weltanschauliche Anbieter ein, die der gewachsenen gesellschaftlichen Pluralität und Säkularität besser gerecht wird. Maßgeblich kann dabei nicht die einstige Größe oder verlorene Bedeutung einer Gemeinschaft sein, sondern der gegenwärtige Beitrag zu Wertebildung, Sinngebung und Orientierung.
Im deutschen Religionsverfassungsrecht versteht man unter althistorischen Staatsleistungen alle finanziellen Verpflichtungen an die Kirchen, die auf den "Reichsdeputationshauptschluss" von 1803 zurückzuführen sind. Die Zahlungsverpflichtungen sind infolge der Enteignungen von Kircheneigentum im Zuge der Säkularisierung durch Napoleon entstanden. Als Ausgleich übernahm das Kaiserreich dafür Baulasten und Unterhaltsverpflichtungen für Bedienstete der Kirchen.
Die Weimarer Reichsverfassung sieht in Artikel 138 deren Ablösung vor: "Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf." Dieser Artikel wurde über Artikel 140 in dieser Form in das Grundgesetz aufgenommen. Versuche, diesen Auftrag umzusetzen, hat es bis heute nicht gegeben. Allein seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 haben sich die jährlichen Zahlungen bundesweit auf fast 18,5 Milliarden Euro summiert.