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Corona – Krisenbewältigung mit Hoffnung auf Gott? Ein Kommentar von Frieder O. Wolf zur Chrismon

(c) Arik Platzek
(c) Arik Platzek

In der aktuellen Ausgabe der evangelischen Zeitschrift Chrismon* gibt es einen Text zum Thema "Will Gott uns strafen?". Im Ausgang von Marias "Schutzmantel", durchaus als Schutz vor dem "Allmächtige[n]" zu verstehen, entfaltet ein Johann Hinrich Claussen den Gedanken, dass der "epochale Fortschritt" in der Erklärung von Krisen wie der Corona-Epidemie "den Glauben" davon "entlastete […], für alles, was geschieht, eine Erklärung abgeben zu müssen" – allerdings um den "Preis", "dass man keine religiöse Sprache mehr für die Katastrophen dieser Welt hat".

Und hier operiert der Verfasser dann mit einer ungedeckten Behauptung, nämlich der, "dass man sie mit einer profanen Sprache nicht fassen kann". Von hier aus kann er dann "eine offene theologische Frage" konstruieren, ob diese Krisen nicht als "Strafe" Gottes zu verstehen seien – und flink auf "neue Hoffnung" umschwenken – nämlich darauf, dass die "Menschen" "um[…]kehren. Verantwortung […] übernehmen, Notleidenden […] helfen und die Schöpfung […] achten" – allerdings, indem er als Grund der Hoffnung auf "Gottes Geist" rekurriert.

Die Frage ist hier zu stellen, was hier die von ihm eingebaute theologische Schleife konkret bedeutet – und als Antwort bietet sich an: "Nichts weiter!" Angesichts der Katastrophen des Anthropozäns besteht in der Tat aller Grund zu einer radikalen Kursänderung im globalen Maßstab – und nur noch im Kampf für eine solche Kursänderung liegt heute ein Grund zur Hoffnung. Die ‚theologische Schleife‘, wie sie hier eingebaut wird, fügt diesem gut begründeten Imperativ nichts hinzu – wenn Hoffnung hier als eine untätige innere Haltung verstanden wird, zieht sie diesem notwendigen Kampf sogar Energien ab. Sie ist also alles andere als hilfreich.

Über den Autor:

Prof. Dr. Frieder Otto Wolf ist Präsident der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg und Honorarprofessor am Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin mit den Forschungsschwerpunkten Politische Philosophie, Kritische Theorie und Humanismus

* Sämtliche Zitate aus: Zeitschrift Chrismon, Ausgabe 9/2020, S. 30 und 31.