Zur Landtagswahl am 15. Mai 2022 hat der Humanistische Verband NRW die Parteien SPD, CDU, FDP, Bd90-Die Grünen und die Linke zu ihren Ideen und Vorstellungen bezüglich des Lebenswirklichkeit konfessionsfreier Menschen in NRW befragt.
Alle befragten Parteien haben uns entsprechend schriftlich geantwortet.
Leider war es nur möglich insgesamt 8 Fragen zu stellen, wobei die Fragen maximal 300 Zeichen umfassen durften. Auf dieses einschränkende Verfahren hatten sich die Parteien im Vorfeld geeinigt.
Hier unsere Stellungnahme zu den Antowrten. Alle Antworten udn Fragen finden Sie im angehängten Dokument.
Hier unsere Kommentierung:
Aufschlussreich sind vor allem die Antworten zur zentralen säkularen Landesbaustelle "Religion in der Schule". Die Linke findet die Bekenntnis-schulen schon lange skandalös und will sie deshalb abschaffen; die CDU hingegen verteidigt die Bekenntnisschulen, auch die öffentlichen: Sie seien in der Verfassung verankert und könnten doch mit einfacher Elternmehrheit umgewandelt werden; zudem hätten die Kirchen dort – mit Ausnahme des Religionsunterrichts – "keinerlei Sonderrechte".
Mehr in Bewegung sind die Positionen der anderen Parteien: Die FDP sieht die Bekenntnisschulen als "Bereicherung" des vielfältigen Schulwesens, will aber immerhin das Prinzip "Kurze Beine –kurze Wege" im Anmeldeverfahren stärker berücksichtigen. Die SPD will sich noch nicht festlegen: Sie konzidiert, dass hier ein landespolitischer Streitpunkt sei; für eine Reform habe es bislang aber keine Mehrheit gegeben. Ausgrenzung gehe gar nicht; wie eine Reform aussehen könne, wird jedoch nicht präzisiert.
Auch die Grünen wollen Segregation vermeiden und plädieren - parallel zur Änderung der gesellschaftlichen "Realität" - eine Reform durch eine schritt-weise Senkung der Hürden für eine Umwandlung in Gemeinschaftsschulen. Auf den Umstand, dass es keine bekenntnisfreien Schulen in NRW gibt, geht leider keine Partei ein.
Ähnlich ist das Bild bei den Fragen nach dem Ausbau des Ersatzfaches "PP" (Praktische Philosophie) in der Grundschule und nach der Diskussion über ein integriertes Fach "Ethik". Die Linke setzt sich dezidiert für eine Überwindung der konfessionellen Versäulung durch die Einführung von "Ethik für Alle" ein und will das Ersatzfach PP als unnötigen Zwischenschritt gar nicht weiter ausbauen. Die CDU hält selbstredend am verfassungsgeschützten Bekenntnis-unterricht fest und will das Ersatzfach PP nur als Zugeständnis an Wünsche von Eltern als Ausweis christlicher Toleranz ausbauen; im Übrigen stehe der Bekenntnisunterricht ja auch anderen SuS offen.
Interessanter sind hier die Positionen von FDP, Grünen und SPD: Die FDP will im Prinzip am pluralistischen Säulenmodell festhalten und das Alternativfach PP - welches sie ja für die Grundschule selbst eingeführt hat – zügig flächendeckend ausbauen. Dabei setzt sie auf eine innere Weiterentwicklung des Säulenmodells und will das konfessionelle, trennende Element durch höhere Lehrplananteile an vergleichender Religionswissenschaft und "Werteorientierung" (hier sind wohl die demokratischen Werte gemeint) eingrenzen.
Auch die Grünen wollen letztlich an einem modifizierten Säulenmodell fest-halten, weil sie keine Chancen für eine Verfassungsänderung sehen: Das Alternativfach "Praktische Philosophie" soll flächendeckend ausgebaut werden, auch durch neue Studiengänge und Zertifikatskurse; die konfessionellen Religionsfächer sollen möglichst in einem multireligiösen Unterricht freiwillig kooperieren, inklusive des islamischen RU. Schließlich sollen die religiöse und die philosophische Säule durch Brückenprojekte verbunden werden.
Die SPD will die komplizierte Diskussion - ähnlich wie bei den Konfessions-schulen – in eine Bildungskommission von Expert:innen verlagern. Ob diese nun schiebt oder bremst, wird sich erweisen; spannend wird die personelle Besetzung. Immerhin zeigt sich damit auch die SPD endlich dafür offen, den deutschen Pfad des traditionellen bekenntnisorientierten Säulenmodells, dessen Erweiterung ja aktuell auch beim islamischen Konfessionsunterricht an seine Grenzen stößt, zu verlassen.
Erfreulich ist, dass alle Parteien zur Wissenschaftsorientierung des öffentlichen Schulsystems stehen.
Bei den Themen: Gleichbehandlung der Humanist:innen und Konfessionsfreien im Rundfunkrat und bei der öffentlichen Trauerkultur differieren die Antworten nicht allzu sehr. SPD, FDP und Grüne betonen die Notwendigkeit einer breit angelegten Interessenvertretung, die die Pluralisierung der Gesellschaft abbildet und keine Einzelgruppen weltanschaulich privilegiert. Explizit für die wachsende Gruppe der Konfessionsfreien will sich nur die Linke einsetzen, während die FDP eher auf die Migliederzahlen der Verbände schaut und die CDU grundsätzlich starke religiöse Stimmen in der Öffentlichkeit befürwortet. Gleichwohl will auch die Union im Prinzip alle gesellschaftlich relevanten Gruppen "berücksichtigen".
Auch für die Fragen nach einer Unterstützung beim Aufbau von Netzwerken der weltlichen Seelsorge und der Beratung beim assistierten Suizid zeigen sich alle Parteien, auch die CDU, im Prinzip aufgeschlossen. Die Linken bevorzugen eine Anbindung an kommunale Strukturen; die SPD will aktive Träger-organisationen unterstützend begleiten, während die FDP die Vernetzung der Hausärzt:innen vorantreiben will. Beim assistierten Suizid ist der CDU ein Schutzkonzept auf der Basis einer "wohlverstandenen" Selbstbestimmung wichtig, um ein würdevolles Sterben zu sichern. Bei der Seelsorge verweisen die Grünen explizit auf Publikationen des Berliner HVD.