Vor der anstehenden Landtagswahl haben wir die im Landtag vertretenen Parteien sowie die Linken und die Piraten zu Themen befragt, die für Konfessionsfreie Menschen von Bedeutung oder von Interesse sind (siehe Forderungen in separatem Kasten). Die Antworten zeigen, dass die Parteien die Interessen von Konfessionsfreien noch kaum verstanden oder im Blick haben.
Von SPD, CDU, FDP und von Bündnis 90/ Die Grünen haben uns Antworten erreicht, für die wir herzlich danken.
Kurz und knapp fiel die Antwort der CDU aus, die uns Dr. Guido Hitze, Leiter des Bereichs Politik & Strategie in der Düsseldorfer Zentrale übermittelt. Er benötigt nur zwei Absätze für seine Botschaft:
"Religiöse Bildung stärkt die Einstellung gläubiger Menschen in unserer Gesellschaft. Zu Erziehung und Bildung gehört aber auch Wertgebundenheit. Ohne Wertorientierung kann unser gesellschaftliches Zusammenleben nicht gelingen. Religion, Glaube und deren Ausübung prägen die Wertorientierung unserer Gesellschaft. Das ist für den Staat unverzichtbar. Insofern ist religiöse Bildung auch im Interesse des Staates.
Die Kirchen in unserer Gesellschaft sind durch Tradition gewachsene Institutionen, in denen gläubige Menschen ihre Religion erfahren können. Sie gehören zum Fundament unserer Gesellschaft. Schulen, in denen man kirchliche Orientierung erleben kann, sind ein wichtiges Element religiöser Erziehung. Insofern sind Bekenntnisschulen auch im Interesse des Staates. Er sollte sie daher auch weiterhin im Sinne der Verfassung stützen und fördern."
Was der studierte Historiker Hitze hier zusammenbraut, könnte ebenso aus einer islamischen Rechtsschule stammen. "Wertgebundenheit", "Wertorientierung", "religiöse Erziehung" werden in Eins gesetzt und sind dann als solche für den Staat unverzichtbar. Gemeint ist auch hier, dass mit Menschen ohne religiöse Orientierung kein Staat zu machen sei, verfügen sie doch über keine eine Gesellschaft oder einen Staat tragende Moral.
Der fromme Historiker Hitze verkennt, dass das grundlegende Werte- und Rechtsgerüst unserer Gesellschaft gegen religiösen Fundamentalismus erfochten wurde und weiterhin gegen solche Fundamentalisten, heute insbesondere islamischer Natur, verteidigt werden muss. Entsprechend ihrer Antwort auf unsere Fragen gibt es bei der CDU keinen Grund und kein Interesse für einen Dialog mit Konfessionsfreien. Glücklicherweise ist dies nicht die Haltung aller religiösen Politiker, auch nicht aller christdemokratischen.
Die Haltung der anderen Parteien
Keinen Handlungsbedarf sehen die Parteien im Hinblick darauf, dass "Ehrfurcht vor Gott" vornehmstes Erziehungsziel in NRW ist. Auch dass in Gemeinschaftsschulen "Kinder auf der Grundlage der christlichen Bildungs- und Kulturwerte (…) gemeinsam unterrichtet und erzogen" werden, gilt als unproblematisch. So meint etwa die FDP, "dass die Formel "Ehrfurcht vor Gott" schon dem Wortlaut nach nicht den Glauben an Gott verlange". Die SPD sieht das ähnlich.
Wäre es nicht besser, eine Festlegung, die nicht meint, was sie sagt, zum besseren Verständnis für alle zu streichen? Stattdessen empfehlen die Grünen mit dem Philosophen Habermas eine andere Übung: "Säkularisierte Bürger dürfen, soweit sie in ihrer Rolle als Staatsbürger auftreten, weder religiösen Weltbildern grundsätzlich ein Wahrheitspotential absprechen, noch den gläubigen Mitbürgern das Recht bestreiten, in religiöser Sprache Beiträge zu öffentlichen Diskussionen zu machen". Thema verfehlt! Es soll Gläubigen von uns ja in keiner Weise ihr Beitrag zur öffentlichen Diskussion beschnitten oder bestritten werden. Aber ihre Weltsicht kann nicht die Basis für ‚unser aller Staat’ sein. Was wäre sonst gegen eine Scharia einzuwenden?
Praktische Philosophie auch in der Grundschule als Ergänzung zum bekenntnisorientierten Religionsunterricht halten Grüne, SPD und FDP im Prinzip für sinnvoll. Die SPD glaubt irrtümlich bereits, es sei ihr "gelungen, das Fach Praktische Philosophie auch in den Grundschulen zu etablieren". Demgegenüber beklagt sich die FDP, ihre Forderung nach Einführung eines entsprechenden Unterrichts in der Grundschule sei "leider von SPD und Grünen abgelehnt" worden. Fazit: Im Prinzip ja, aber mangels Masse keine Klasse!
Der nordrhein-westfälische Sonderweg der Bekenntnisschulen wird uns weiter erhalten bleiben. Mit der CDU fehlt für eine Verfassungsänderung die nötige Mehrheit. Und die rechtlichen Möglichkeiten bei der Umwandlung von Bekenntnis- in Gemeinschaftsschulen meinen Grüne und SPD durch die letzte Schulrechtsänderung ausgeschöpft zu haben. Auch die FDP sieht hier keinen "Problemdruck". Neutralität staatlicher Erziehung und die Berücksichtigung von Minderheitenrechten spielen bei den genannten Parteien offensichtlich keine Rolle.
Die Gleichbehandlung von Religions- u. Weltanschauungsgemeinschaften sehen SPD und FDP im Prinzip gewährleistet, "spezielle
Förderinstrumente für eine spezielle
Glaubens- oder Weltanschauungsrichtung nicht notwendig" (FDP). Die Grünen setzen sich "weiterhin für einen gleichberechtigten Dialog von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein".
Kindertagesstätten (KITAS)
Außer "in einigen ländlichen Gebieten und in einigen Wohnlagen" sieht die SPD ein weltanschaulich ausreichend vielfältiges Angebot an KITAS. Auch die Grünen und die FDP sehen eine ausreichende Vielfalt gewährleistet. SPD und Grüne wollen die KITA-Gebühren mittelfristig reduzieren, im Vordergrund sollen aber qualitative Verbesserungen stehen. Die FDP sieht dagegen den finanziellen Nachholbedarf zur Sicherung von Qualität und Vielfalt im KITA-Bereich so hoch, dass an Gebührenreduzierungen vorerst nicht zu denken ist.
Institutionelle Förderung
Für SPD und FDP ist zumindest eine anlassbezogene Förderung für uns als humanistische Weltanschauungsgemeinschaft vorstellbar. Die Grünen halten auch eine institutionelle Förderung für möglich, "wo es um Leistungen für die Allgemeinheit geht."
Eine Unterstützung für die Durchführung nichtreligiöser Rituale ist aufgrund des
Neutralitätsgebots rechtlich nicht möglich.
Ablösung Historischer Staatsleistungen
SPD, FDP und Grüne erklären "unabhängig von der bundesgesetzlichen Regelung", mit den Kirchen Verhandlungen aufnehmen und durch landesrechtliche Lösungen die Ablösung der Staatsleistungen weiter vorantreiben zu wollen."
Für die SPD stand dies "angesichts der politischen Herausforderungen der letzten Jahre nicht ganz oben auf der politischen Agenda". Der Weg von Teilablösungen soll weiter beschritten werden. "
Ende der 90iger Jahre wurde der Vertrag über die Ablöse kommunaler Kirchenbaulasten geschlossen und in der laufenden Legislaturperiode eine Ablöse sogenannter historischer Schul- und Studienfonds. Diesen Weg werden wir weiter beschreiten. Eine große Lösung sieht die FDP derzeit nicht: " Denn ohne eine Abschlusszahlung, die deutlich höher als die jährliche Zahlung ist, wird es zu keinem Verhandlungserfolg kommen."
Ein Ende des staatlichen Kirchensteuereinzugs ist aus Parteiensicht nicht erforderlich. Der FDP sind "keine Benachteiligungen Konfessionsfreier bekannt". Die SPD ist bereit, "mehr Datenschutzgerechtigkeit" zu prüfen.
Die Grünen meinen zwar, "Arbeitgeber und Banken sollten nicht ohne zwingenden Grund Informationen über die Religionszugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit erhalten", stellen aber zugleich fest, dass im Bundestag keine Mehrheit zur Abschaffung des Besteuerungsrechts der Kirchen in Sicht ist.
Während die SPD im Hinblick auf das Feiertagsgesetz derzeit keinen Handlungsbedarf
sieht, können sich Grüne und FDP eine Novellierung mit Lockerung der Vorschriften für Stille Feiertage vorstellen. Die Grünen halten auch Individuelle Feiertage für religiöse Minderheiten für sinnvoll. Während SPD und Grüne sich gegen eine weitere Aufweichung des Sonn- und Feiertagsschutzes aussprechen, möchte die FDP zumindest das Verkaufsverbot an Sonntagen völlig aufheben.
Fazit
Auch wenn wir hier nicht alle Fragen und Antworten aufgenommen haben, ist aus den bislang vorliegenden Antworten der Parteien zu unseren Wahlprüfsteinen zweierlei erkennbar:
- Manche Sorgen und Nöte konfessionsfreier Menschen, insbesondere im Bereich der Erziehung (KITA und Schule), sind in der Politik noch gar nicht angekommen.
- Konfessionsfreie müssen ihre Bedürfnisse nach Möglichkeit konkret und vor Ort anmelden und die Beachtung ihrer Rechte einfordern.
Als Verband müssen wir verstärkt das Gespräch mit den Parteien suchen, die dazu bereit sind, um zu einem besseren Verständnis und zu tragbaren Lösungen zu kommen.