"Das Urteil aus Luxemburg ist ein wegweisendes Signal für die Gleichheit", sagt Florian Zimmermann, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands, der als anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft die Interessen nichtreligiöser Menschen vertritt. "Es schützt nicht nur die 1,3 Millionen Angestellten kirchlicher Träger in Deutschland vor der diskriminierenden arbeitsrechtlichen Praxis der Kirchen, sondern auch die Angehörigen anderer Konfessionen und Weltanschauungen. Das Prinzip der Gleichheit muss auch für die Kirchen gelten."
Hintergrund ist der Fall des Chefinternisten des katholischen Vinzenz-Krankenhauses in Düsseldorf, der 2008 nach Schließung einer zweiten Ehe wegen Verletzung der Loyalitätspflicht und Verstoß gegen die Unauflöslichkeit der Ehe entlassen worden war. Dieser beschäftigt die deutsche Justiz schon seit Jahren. Der katholische Arzt hatte gegen seine Entlassung mit der Begründung geklagt, dass Kolleg*innen anderer Weltanschauungen in vergleichbaren Fällen nicht gekündigt worden sei. In den Vorinstanzen und beim Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte er zunächst Recht bekommen, 2014 hatte das Bundesverfassungsgericht dessen Urteil mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen aufgehoben. Der Fall ging zurück an das BAG, das sich daraufhin an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wandte.
Der EuGH kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Anforderung an den Arzt, den nach katholischem Verständnis heiligen Charakter der Ehe zu beachten, nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung zu werten sei. Zugleich bezieht sich das Gericht auf das in der EU-Grundrechtecharta verbriefte Verbot der religiösen Diskriminierung, welches "als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter" habe. Das Bundesarbeitsgericht wird nun im Lichte dieses Urteils über den konkreten Fall erneut zu entscheiden haben.
Update:
Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschied am 20.02.2019 , dass der Chefarzt von seinem kirchlichen Arbeitgeber gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt worden sei.
In der Erklärung des Gerichts heißt es:
Die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.
Diskriminierung ist auch nach dem deutschen Arbeitsrecht verboten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) regelt, dass Menschen nicht aus Gründen der Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung benachteiligt werden dürfen. Für Religionsgemeinschaften sieht § 9 AGG allerdings eine Ausnahmeregelung vor. Auch dürfen sich die Kirchen in Deutschland auf das kirchliche Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht berufen, wenn sie ihre Mitarbeitenden aufgrund von Religion oder Weltanschauung unterschiedlich behandeln oder die Einstellung von Angehörigen anderer Weltanschauungen verweigern. Einrichtungen kirchlicher Träger ist es derzeit somit grundsätzlich gestattet, von ihren Mitarbeitenden die Übereinstimmung mit kirchlichen Glaubens- und Moralvorstellungen, einschließlich der Mitgliedschaft, zu verlangen. Das führt zu einem Ausschluss von Beschäftigten, der weit über die Grenzen eines legitimen Tendenzschutzes hinausgeht.
Dabei ist zu bedenken, dass Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände zusammen den viertgrößten Arbeitgeber Deutschlands bilden. 60 Prozent aller Arbeitsplätze im sozialen Sektor werden von den Einrichtungen kirchlicher Träger gestellt. Konfessionsfreie und andersgläubige Arbeitnehmer*innen haben zu diesem riesigen Beschäftigungssektor nicht die gleichen Zugangsmöglichkeiten wie die Angehörigen der christlichen Kirchen. Und das, obwohl die Finanzierung der kirchlichen Einrichtungen nicht selten vollständig aus öffentlichen Mitteln, also den Mitteln der Gesamtheit aller Beitragszahler*innen, und durch Nutzungsentgelte (Kita-Gebühren, Pflegekostenzuzahlungen etc.) erfolgt.