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"Wir wollen hier niemandem etwas überhelfen. Wir können immer nur Angebote machen.", sagt Maria Richter, Leiterin des TagesTreffs Weitlingstraße
Foto: Konstantin Börner "Wir wollen hier niemandem etwas überhelfen. Wir können immer nur Angebote machen.", sagt Maria Richter, Leiterin des TagesTreffs Weitlingstraße

Schwabow ist auch Trägervertreterin für den Bereich Wohnungslosenhilfe im Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin. 2017 wurde sie im Rahmen eines Forschungsprojekts des Lichtenberger Sozialamtes und der katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin, mit dem die bestehenden Hilfsangebote für obdach- und wohnungslose Menschen im Bezirk Lichtenberg untersucht und näher an die Lebenslagen der Betroffenen herangeführt werden sollen, als Expertin interviewt. Sie ist überzeugt: Vor allem Sozialarbeit in den Häusern ist wichtig.

Das bestätigt auch die Geschichte von Lutz Bald. Als er wegen Diebstahls eine 90-tägige Strafe in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee absaß, traf er auf Sozialarbeiter_innen, die kaum Zeit für soziale Beratung hatten – und auf einige Männer aus Lichtenberg, die ihm vom TagesTreff erzählten. Da war er schon weg vom Alkohol. Zuerst habe er noch überlegt, ob er wirklich hingehen soll. "Aber ich war ja schon am Boden, tiefer konnte ich ohnehin nicht mehr sinken", erinnert er sich an die Zeit.

Im Zelt schläft Bald noch immer – einer Kostenübernahme für eine Betreuung in einer Trägerwohnung hat das zuständige Amt noch nicht zugestimmt. Doch davon abgesehen hat sich für ihn durch den Besuch des Tages­Treffs bereits einiges geändert. Er macht nun eine Weiterbildung zum Schweißer. "Es läuft ganz gut", sagt er.

Ein Erfolg für Lutz Bald – und auch für die Mitarbeiter_innen unserer Einrichtung. "Es gibt hier ganz unterschiedliche Momente der Zufriedenheit", sagt Katrin Schwabow. "Zum Beispiel, wenn wir bei Menschen, die nur sehr niedrigschwellig begleitet werden können, erreichen, dass sie sich vor dem Essen die Hände waschen, höflich miteinander und mit uns umgehen oder auch mal zurückmelden, wenn das Essen gut war. So bescheiden das klingen mag: Es ist toll, wenn wir es schaffen, den Menschen ein Stück Lebensqualität wiederzugeben. Gerade auch im Kontakt mit anderen."

Ein gewisser Prozentsatz der Klient_innen wolle gar nicht wieder weg von der Straße, sagt Maria Richter. "Und wir wollen hier niemandem etwas überhelfen. Wir können immer nur Angebote machen." Katrin Schwabow betont: "Auch die Menschen, die nicht in die Mitte der Gesellschaft zurück und nicht produktiv zum Steuerhaushalt beitragen wollen, haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Und auch für sie gelten unsere Verfassung und die Menschenrechtskonvention. So verstehe ich dieses Haus auch. Natürlich sind wir bestrebt, Menschen Wege aufzuzeigen, wie sie wieder in Richtung Mitte der Gesellschaft kommen – wenn sie das denn wollen. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann verstehe ich unseren Auftrag so, dass wir alles tun, um die Folgen der Wohnungslosigkeit oder Suchterkrankung oder Straffälligkeit bestmöglich zu mindern."

Diese Reportage ist im Geschäftsbericht 2017 des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg erschienen.