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Elke Rasche leitet die Zentralstelle Patientenverfügung | Foto: Die Hoffotografen GmbH
Elke Rasche leitet die Zentralstelle Patientenverfügung | Foto: Die Hoffotografen GmbH

Brauchen wir zwingend eine Vorsorgevollmacht zu Ergänzung?

In der Zentralstelle Patientenverfügung unterscheiden wir zwischen einer (Vorsorge-) Vollmacht für finanzielle und rechtsgeschäftliche Angelegenheiten und einer Gesundheitsvollmacht für medizinische und gesundheitliche Angelegenheiten. So kann man sich frei entscheiden, welcher Person man im Bedarfsfall welche Entscheidungen anvertrauen möchte. Aber zurück zur Frage: Ein Patientenvertreter, der medizinische und gesundheitliche Angelegenheiten regelt, ist nicht immer notwendig. Eine Patientenverfügung bindet die Ärzte unmittelbar. Sie kann prinzipiell auch ohne Einbeziehung eines Betreuers oder Bevollmächtigten Geltung beanspruchen. Sobald jedoch Interpretationsbedarf für Ärzte besteht, müssen diese eine Prüfung/Ermittlung des entsprechenden Willens zusammen mit dem Patientenvertreter vornehmen – oder sich durch eine gerichtlich angeordnete Eilbetreuung die Genehmigung für die Durchführung/Fortsetzung oder den Abbruch einer Behandlung einholen. Sie sehen, wenn eine Patientenverfügung nicht eindeutig und korrekt formuliert ist, entstehen Interpretationsspielräume, die auszulegen sind. Diese sollten im Idealfall vermieden werden. Man sollte alles dafür tun, um es nahestehenden Personen, Betreuern, Richtern oder Ärzten zu ersparen, für einen selbst eine Entscheidung über Leben und Tod treffen zu müssen.

Auf welche Blöcke kommt es in der Patientenverfügung wirklich an?

Wir empfehlen, persönliche Bewertungskriterien für Lebensqualität festzulegen. Also kann ich mir ein Leben im Rollstuhl vorstellen? Wie wichtig ist mir geistige Klarheit und Bewusstsein bis zuletzt? Solche und andere Fragen sollten geklärt sein. In der Patientenverfügung selbst sollten verschiedene Behandlungssituationen berücksichtigt werden: das Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit, ein unabwendbarer und unmittelbarer Sterbeprozess sowie Gehirnschädigungen und Hirnabbauprozesse beziehungsweise demenzielle Verläufe. Für diese Situationen ist dann jeweils zu klären, in welchem Umfang ärztliche Maßnahmen wie lebenserhaltende Behandlungsmethoden, Schmerz- und Symptombehandlungen, künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, Wiederbelebungsmaßnahmen, künstliche Beatmung, Dialyse oder die Gabe von Antibiotika eingeleitet oder beendet werden sollen. Aufgrund der Komplexität und möglichen Differenzierungen bzw. Bewahrung vor widersprüchlichen Aussagen in einer Patientenverfügung sollte diese möglichst nicht ohne eine vorausgehende beziehungsweise begleitende Beratung verfasst werden.

Wo wird die Patientenverfügung am besten aufbewahrt beziehungsweise hinterlegt?

Die Patientenverfügung sollte an einem für den Notfall leicht zugänglichen Ort aufbewahrt werden. Ein Hinweiskärtchen im Portemonnaie, aus dem hervorgeht, dass eine Patientenverfügung vorliegt und wo diese hinterlegt ist, ist empfehlenswert. Auf dieser sollten auch die Kontaktdaten des Patientenvertreters notiert sein. Wir bieten mit unseren Patientenverfügungen eine Hinterlegung an. Das heißt, wir halten täglich einen Bereitschaftsdienst vor, auch an Sonn- und Feiertagen. Bei Bedarf liegt die Patientenverfügung innerhalb von 24 Stunden im Krankenhaus vor. Unsere Mitarbeiter sprechen im eingetretenen Notfall mit Ärzten, Angehörigen und – wenn noch möglich – mit den Betroffenen selbst. Unsere Klienten erhalten einen Notfallpass, der die wichtigsten Informationen für den medizinischen Notfall – also zu Reanimation, Schmerzmedikation, Intensivmedizin, .u.a. – sowie die Kontaktangaben zum Patientenvertreter enthält.

Wie häufig sollten wir eine Patientenverfügung aktualisieren.

Wir empfehlen eine Aktualisierung alle zwei Jahre. Wenn man aber feststellt, dass sich die eigene Position zu bestimmten Fragen verändert, dann auch in einem kürzeren Rhythmus.

Wo finden wir gute Muster im Internet?

Es gibt unzählige Anbieter. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen ist fast unmöglich. Bei Anbietern, die absolute Sicherheit mit einem standardisierten Ankreuzformular versprechen, sollte man skeptisch sein. Solche Formulare können zwar eine erste Orientierung bieten und Regelungen für einige Standardfälle vorgeben. Sobald die individuelle Situation von diesen aber abweicht, entsteht neuer Interpretationsspielraum. Patientenverfügungsmuster ersetzen letztendlich nicht die Beratung und individuelle Formulierung des Patientenwillens für den Einzelfall wie oben skizziert. Deshalb empfehlen wir grundsätzlich Beratung und individualisierte Formulare.

Übernahme eines Interviews für die Zeitschrift MEINS