Problembeschreibung
Das das Grundgesetz prägende Prinzip kooperativer Laizität und die darin zum Ausdruck gebrachte Notwendigkeit von Anerkennung und Respekt für die religiös-weltanschauliche Pluralität im Rahmen staatlicher Tätigkeiten muss auch beim öffentlichen Auftreten seiner Repräsentanten und bei öffentlichen Fest- und Gedenkakten Berücksichtigung finden. Religionsfreie und andersgläubige Menschen werden insofern bis heute bei öffentlichen Feier- und Gedenkereignissen ausgeblendet bzw. "ökumenisch" vereinnahmt.
Wir wollten wissen:
Werden Sie sich dafür einsetzen, die Überzeugungen und Trauerformen konfessionsfreier Menschen bei Unglücksfällen und Katastrophen zu respektieren? Sind Sie bereit, an einem neuen, pluralistischen Kapitel der öffentlichen Erinnerungs-, Gedenk- und Trauerkultur mitzuarbeiten?
(Die Reihenfolge der Antworten bestimmt sich nach Eingangsdatum, zuerst eingegangene Antworten werden zuerst aufgeführt.)
Antwort | DIE LINKE
Wir setzen uns dafür ein, dass öffentliche Trauer- und Gedenkveranstaltungen weltanschauungsübergreifend durchgeführt werden, wie es etwa bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" mit Vertretern öffentlicher, staatlicher und mehrerer religiöser Organisationen am Berliner "Brandenburger Tor" der Fall war. Weltanschauungsneutral müssen sie nicht sein, weil der Staat zwar neutral ist, seine Bürgerinnen und Bürgern aber das Recht auf ein religiöses Bekenntnis oder zu einer Weltanschauung haben, dass entsprechend auch in der Öffentlichkeit präsent sein darf.
Antwort | CDU/CSU
Heute leben in Deutschland Angehörige zahlreicher Religionen: Christen und Juden, Muslime, Hindus und Sikhs, Buddhisten, Bahais und viele andere. Sie können sich frei entfalten und ihren Glauben leben, soweit und solange dies mit unserer Rechtsordnung vereinbar ist. Wir ermutigen alle zum interreligiösen Dialog und zum gemeinsamen Eintreten für unser Land.
Pauschale Regelungen für die Durchführung von Veranstaltungen, in denen religiöse Fragen eine Rolle spielen, lehnen CDU und CSU ab. Vielmehr muss abhängig von jeder Veranstaltung entschieden werden, ob – und falls ja – in welcher Form religiöse Aspekte in einer Veranstaltung berücksichtigt werden sollen. Dies beinhaltet auch, dass Elemente unterschiedlicher oder auch mehrerer Religionen einfließen können. Ein vollständiger Verzicht auf religiöse Elemente würde dem Bedürfnis vieler Menschen hierauf widersprechen und wird von uns nicht befürwortet.
Antwort | Bündnis 90/Die Grünen
Wir setzen uns dafür ein, die öffentliche Gedenk- und Trauerkultur zu überprüfen, die bisher oft an die beiden großen christlichen Kirchen delegiert wird. Wir wollen eine öffentliche Debatte darüber anstoßen, wie die Belange anderer religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften und die Belange religions- oder weltanschauungsfreier Menschen berücksichtigt werden können.
Antwort | SPD
Die Trauer von Menschen in Unglücksfällen ist zu respektieren. Das gilt für religiöse ebenso wie für nichtreligiöse Menschen. Die Aufgabe der jeweils örtlich Verantwortlichen ist es, in einen Dialog mit den Trauernden bei solchen öffentlichen Veranstaltungen zu treten. So kann eine dem jeweiligen Anlass angemessene Ausgestaltung der Feier gefunden werden, die verschiedene auch nicht-christliche und religionslose Bevölkerungsgruppen anspricht. Dies wird immer auch vom Einzelfall und der Gruppe der jeweils Betroffenen abhängen.
Oft nehmen an solchen Feiern bereits Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften, nicht nur der christlichen Kirchen teil. Auch viele nichtreligiöse Menschen nehmen aus Anlass von Unglücksfällen und Katastrophen gerne, freiwillig und bewusst an solchen öffentlichen, auch religiösen Feiern teil. Wer aber an einer solchen Feier aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen nicht teilnehmen möchte, dem steht es natürlich frei, einer solchen Veranstaltung fern zu bleiben oder eine eigene Feier gemäß seinen Vorstellungen zu organisieren und staatliche Repräsentanten zu dieser eigenen Feier einzuladen.
Die Grundlagen unserer Verfassung bilden den Rahmen für die weltanschauliche und religiöse Vielfalt. Unser Land ist demokratisch, offen, modern und frei.
Antwort | FDP
Wir Freie Demokraten setzen uns für eine religiös-weltanschauliche Öffnung der öffentlichen Trauer- und Gedenkkultur ein. Dabei sollen zuvorderst die Bedürfnisse der von den jeweiligen Ereignissen Betroffenen berücksichtigt werden.