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Problembeschreibung

Ein bis heute gültiger Verfassungsauftrag (Artikel 140 Grundgesetz i.V.m. Artikel 138 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung) schreibt vor: "Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf."

Der Humanistische Verband Deutschlands hat in der Vergangenheit die Einlösung dieses Verfassungsauftrags gefordert und sich für eine Erneuerung der vertraglichen und finanziellen Verhältnisse zwischen dem Staat und den in ihm tätigen Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften auf zeitgemäßer Grundlage ausgesprochen. Finanzielle Leistungen des Staates an Kirchen und andere Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften müssen transparent und, insbesondere für die wachsende Zahl konfessionsfreier Bürgerinnen und Bürger, nachvollziehbar werden und dem demokratischen Diskurs zugänglicher.

Wir wollten wissen:

Wie stehen Sie zu der Forderung, sich ernsthaft dem grundgesetzlichen Ablösegebot durch die Eröffnung und Etablierung eines offiziellen Dialogprozesses über die Rahmenbedingungen zu stellen, um den verfassungsmäßigen Auftrag zur Ablösung der historischen Staatsleistungen in absehbarer Zeit zu vollenden?

(Die Reihenfolge der Antworten bestimmt sich nach Eingangsdatum, zuerst eingegangene Antworten werden zuerst aufgeführt.)

Antwort | DIE LINKE

DIE LINKE tritt für die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen und damit für die Einlösung des Verfassungsauftrages von 1919 ein. 2015 haben wir mit einem entsprechenden Antrag im Bundestag keine Mehrheit gefunden (Deutscher Bundestag Drucksache 18/4842 Einrichtung einer Kommission beim Bundesministerium der Finanzen zur Evaluierung der Staatsleistungen seit 1803 vom 6.5.2015 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/048/1804842.pdf)

Antwort | CDU/CSU

Einer bundesweiten Regelung, Staatsleistungen abzulösen, stehen die vollkommen unterschiedlichen Gegebenheiten in den Bundesländern entgegen. Innerhalb der bestehenden Spielräume konnten in einigen Bundesländern aber bereits einzelne Staatsleistungen einvernehmlich mit den Kirchen abgelöst werden.

Gelegentlich aufkommende Forderungen, bereits erbrachte Zahlungen als ausreichende "Tilgung" und damit als Ablösung zu betrachten, gehen in die Irre. Die bisher erbrachten Leistungen sind zum Beispiel als Entschädigungen für entstandene Nutzungsmöglichkeiten enteigneten Eigentums zu verstehen. Sie können daher nicht als Ablösesumme aufgefasst werden.

Antwort | Bündnis 90/Die Grünen

Wir wollen den seit 1919 nicht umgesetzten Verfassungsauftrag zur Ablösung der historischen Staatsleistungen endlich entschlossen umsetzen und fordern, dass zu diesem Zweck unverzüglich eine Expertenkommission eingesetzt wird, die eine Gesamtübersicht über die Staatsleistungen anfertigt und Vorschläge für eine entsprechende Ablösungs-Gesetzgebung unterbreitet. Außerdem fordern wir Bund und Länder auf, in konkrete Gespräche einzutreten.

Parallel dazu sollte ein Dialog mit der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland begonnen werden, um möglichst zügig die erstrebten Ablösungen der Staatsleistungen umsetzen zu können.

Antwort | SPD

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen zu den grundgesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen für die Beziehungen zwischen Staat und Kirchen. Dennoch bedürfen die zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Kirchen vertraglich und rechtsgültig vereinbarten Staatsleistungen in einzelnen Bereichen durchaus einer Prüfung.

SPD-Expertinnen und Experten aus Bundestagsfraktion und Partei sind daher schon geraume Zeit in entsprechenden Fachgesprächen mit Kirchenvertreterinnen und -vertretern sowie der Wissenschaft zu diesen Themen. Dies ist ein langwieriger Diskussionsprozess, der Bund, Länder und Kommunen einbezieht und einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens erfordert.

Antwort | FDP

Als Rechtsstaatspartei nehmen wir sowohl den Ablösungsauftrag des Grundgesetzes als auch die historischen Rechte der betroffenen Kirchen sehr ernst. Wir wollen daher Gespräche mit den Kirchen aufnehmen, wie eine Ablösung konkret aussehen kann. Zudem wollen wir erheben, in welchem Umfang und auf welchen Rechtsgrundlagen die Staatsleistungen jeweils beruhen und welche Ansprüche auf Entschädigungen sich aus ihnen ergeben. In Hessen haben wir beispielsweise erste Staatsleistungen abgelöst.