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Problembeschreibung

Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, können gemäß Art. 140 Grundgesetz auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten Steuern erheben. Dies bedeutet aber nicht, dass der Einzug von Mitgliedsbeiträgen in den Kirchen durch staatliche Stellen erfolgen muss. Die gegenwärtige Praxis der Bundesländer, die Kirchensteuer für Religionsgesellschaften einzuziehen, führt zur erzwungenen Offenlegung der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft gegenüber Arbeitgebern und/oder Banken und bietet damit vielfach auch Anknüpfungspunkte für die Diskriminierung Konfessionsfreier, beispielsweise im Rahmen der Ausnahmen für Religionsgesellschaften im Arbeitsrecht.

Wir wollten wissen:

Werden Sie sich für die Aufhebung des Besteuerungsrechts der bislang begünstigten Religionsgesellschaften durch eine klarstellende Änderung des Grundgesetzes einsetzen?

(Die Reihenfolge der Antworten bestimmt sich nach Eingangsdatum, zuerst eingegangene Antworten werden zuerst aufgeführt.)

Antwort | DIE LINKE

Wir setzen uns dafür ein, dass die Kirchen ihre Mitgliedsbeiträge selbständig erheben. Eine Änderung des Grundgesetzes zu dieser Frage halten wir nicht für erforderlich.

Antwort | CDU/CSU

Alle Religionsgemeinschaften, die Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, haben das Recht, von ihren Mitgliedern Kirchensteuern zu erheben (Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 Absatz 6 Weimarer Reichsverfassung). Der katholischen und den evangelischen Kirchen in Deutschland das Recht auf Kirchensteuer zu verweigern, weil andere Religionsgemeinschaften dieses Recht nicht wahrnehmen, wäre falsch. Irrig ist in diesem Zusammenhang der bisweilen geäußerte Vorwurf, der Staat erbringe eine unentgeltliche Leistung für die Kirchen, indem er die Kirchensteuer durch die Landesfinanzbehörden einziehe. Denn: Für die Verwaltung der Kirchensteuer durch die Landesfinanzbehörden entrichten die Religionsgemeinschaften eine Verwaltungskostenentschädigung an die Bundesländer.

Das Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, ihre eigenen Angelegenheiten autonom zu ordnen, muss ebenso gewahrt bleiben wie ihre Freiheit, ihrem Verkündigungsauftrag in der Gesellschaft nachzukommen. Die Kirchensteuer dient dazu, die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit der Kirchen zu erhalten. Indem sie von Spenden weitgehend unabhängig bleiben und langfristig planen können, ist gewährleistet, dass sie ihre vielfältigen Dienste für die Gesellschaft – die auch weit über den Kernbereich der Glaubensvermittlung in den sozialen Bereich hineinreichen – auch zukünftig aufrechterhalten können. Aus diesem Grund treten CDU und CSU dafür ein, das System der Kirchensteuer beizubehalten.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen entschieden, dass jeder Einzelne grundsätzlich selbst über die Weitergabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten bestimmen kann (sog. informationelle Selbstbestimmung). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch auch verdeutlicht, dass dieses Grundrecht nicht grenzenlos ist. Einschränkungen sind hinzunehmen, wenn hierfür eine normenklare gesetzliche Rechtsgrundlage besteht und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird. Angaben zur Religionszugehörigkeit sind besonders sensibel. Religionsfreiheit umfasst auch das Recht, keinen Glauben zu haben oder seine religiösen Überzeugungen zu verschweigen. Ein Fragerecht nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft ist jedoch legitim, wenn davon z. B. Rechte und Pflichten abhängen. Dies gilt auch für die Erhebung von Kirchensteuern, an denen der Staat aufgrund der verfassungsrechtlichen Bestimmungen mitwirkt. Diese verfassungsrechtliche Verpflichtung kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einer Einschränkung der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit führen und legitimiert die Erhebung der Mitgliedschaft zu einer Religionsgemeinschaft im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens.

Antwort | Bündnis 90/Die Grünen

Aus unserer Sicht gibt es gute Gründe für wie gegen die Kirchensteuer. Unser Ziel ist es, niemanden individuell oder kollektiv gegenüber den Mitgliedern der großen christlichen Kirchen, der jüdischen Gemeinden und religiöser oder weltanschaulicher Gemeinschaften, soweit sie vom Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft profitieren, zu benachteiligen. Ein zweites Ziel ist die Verwirklichung des Datenschutzes: Arbeitgeber und Banken sollten nicht ohne zwingenden Grund Informationen über die Religionszugehörigkeit erhalten. Unabhängig von den grundsätzlichen Fragen wollen wir konkrete Reformen anstoßen. Dabei gibt es einige Punkte, die wir unmittelbar gesetzlich regeln können und wollen (insbes. bei der Sonderausgabenabzugsmöglichkeit der Kirchensteuer), sowie eine Reihe weiterer Punkte, zu denen wir mit den Kirchen in Gespräche treten wollen (z.B. Kirchensteuer bei geringfügiger Beschäftigung oder das sog. "besondere Kirchgeld").

Antwort | SPD

Der Einzug der Kirchensteuer ist ein rein technischer Vorgang, die Kirchen bzw. anerkannten Religionsgemeinschaften entscheiden selbst, ob sie eine Steuer erheben. Allen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind, steht der Weg des Steuereinzugs offen. Der Staat bekommt für den Einzug der Kirchensteuern eine Aufwandsentschädigung in Höhe von zwei bis vier Prozent des von ihm erhobenen Steueraufkommens, womit die Kosten mehr als gedeckt werden. Die SPD strebt hier keine Änderungen an.

Die Religionszugehörigkeit ist eine sensible Information. Im Rahmen der Erhebung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge wird aktuell ein automatisierter Datenabruf der Religionszugehörigkeit durch das Bundeszentralamt für Steuern bei den Banken durchgeführt. Dem kann der/die Steuerpflichtige mit Hilfe eines Sperrvermerks widersprechen. Die SPD möchte Kapitaleinkünfte wieder dem Einkommensteuertarif unterwerfen und die Abgeltungsteuer abschaffen. In der Folge erübrigt sich auch das beschriebene Verfahren zur automatischen Abfrage der Religionszugehörigkeit durch das Bundeszentralamt für Steuern.

Antwort | FDP

Staatliche Neutralität setzen wir Freie Demokraten nicht mit Laizismus gleich. Im Gegenteil, grundsätzlich bieten wir allen Religionen und Weltanschauungen eine Kooperation an, damit auch diese und ihre Anhänger sich in die Gesellschaft gleichberechtigt einbringen können. Eine dahingehende Änderung des Grundgesetzes planen wir Freie Demokraten nicht.