Khorchide kritisierte Menschen bevormundenden Ausprägungen von Religion und Humanismus mit der Begründung, dass Gott die absolute und unerkennbare Wahrheit sei und Menschen sie immer nur annähernd erkennen könnten. Man musste dieser theologischen Begründungsfigur gar nichts abgewinnen, um doch eine wesentliche Ähnlichkeit zum zeitgenössischen humanistischen Denken konstatieren zu können: Das skeptische und pluralistische Bewusstsein, eine unfertige Weltanschauung unter anderen ebensolchen ertragen zu müssen. Dass in der Humanistischen Akademie ein religiöser Gastredner ausgiebig über Gott sprechen kann, darüber was dieser Gott denke und wolle (ganz so als ob dessen Existenz überhaupt nicht in Frage stünde), ohne sich doch gleich lauten Unmut zuzuziehen, spricht vielleicht selbst schon für die Toleranz eines zeitgenössischen Humanismus, seine Akzeptanz einer doppelten Religionsfreiheit: Freiheit zur Religion und Freiheit von der Religion.
Werner Schultz (stehend), Leiter der Abteilung Bildung beim HVD Berlin-Brandenburg