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Die Antragsdokumente zur Gründung der Hochschule sind umfangreich und komplex, da das Konzept hohen Anforderungen genügen muss.
Foto: Konstantin Börner Die Antragsdokumente zur Gründung der Hochschule sind umfangreich und komplex, da das Konzept hohen Anforderungen genügen muss.

Ein starkes Team macht die Gründung möglich

Für Anja Krüger-Chan sei die Gelegenheit, eine neue und innovative Hochschule zu gründen, eine Chance gewesen, die sich nur einmal im Leben bietet. „Eine Hochschule mitzugründen, bei der man sich sowohl inhaltlich als auch mit der Trägerorganisation identifizieren kann, das ist ganz selten.“

Ein weiterer Pluspunkt ist laut Krüger-Chan, dass der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg sehr gut für die verschiedenen Herausforderungen im Gründungsprozess aufgestellt ist. Ein großer Gewinn für den diesen Prozess war es, dass mit Mark Rackles, ehemaliger Staatssekretär für Bildung, ein politisch versierter und gut vernetzter Berater für das Hochschulprojekt gewonnen werden konnte. Krüger-Chan ist Expertin in allen Fragen des Hochschulmanagements und der Akkreditierung.

Die Planung für die Gründung der Hochschule begann schon im Jahr 2020. „Man muss im Prozess der Hochschulgründung viele unterschiedliche Aspekte in den verschiedenen Teilen des Antrags bearbeiten. Das geht von Studium und Lehre über Forschung bis hin zu Infrastruktur und Finanzierung“, erklärt die Projektleiterin. „Großartig daran ist, dass der Verband die Köpfe, die das auch wirklich umsetzen können, schon in seinen Reihen hat.“

Die Gründungsinitiative traf sich in den Jahren 2020 und 2021 regelmäßig in Projektgruppen, um die verschiedenen Aspekte der Hochschulgründung vorzubereiten. Das habe die Planung enorm erleichtert, „denn Studiengänge planen ist unglaublich viel Arbeit“.

Andere Expert_innen kamen aus der Humanistischen Akademie. „Unsere Kolleginnen in der Akademie haben eine große Expertise, was die Forschungskonzepte einer Hochschule und die Ausrichtung der Forschung an sich betrifft“, berichtet Krüger-Chan. Bei Personal- und Finanzierungsfragen sei die Leiterin der Abteilung Zentrale Dienste mit ihren Kolleg_innen eine große Hilfe gewesen.

Das wissenschaftliche Fundament musste gezimmert werden

Größere Probleme habe es während dem Aufbau der Organisation und der Studienprogramme der Humanistischen Hochschule eigentlich nicht gegeben, erinnert sich Anja Krüger-Chan: „Wir sind extrem glatt durch den ganzen Prozess gegangen.“

Vor dem Hintergrund der angestrebten Profilierung habe es allerdings angeregte Diskussionen gegeben, insbesondere darüber, welche Studiengänge angeboten werden sollen. „Humanistische Lebenskunde ist als Masterstudiengang gesetzt, das war uns von vornherein klar“, sagt Krüger-Chan. „Bei den anderen Studienprogrammen gab es im Verband unterschiedliche Ideen. Zwar gingen die alle in eine ähnliche Richtung, aber zum Beispiel diskutierten wir die Frage, ob wir zunächst nur die Studiengänge anbieten, für die wir viele praktische Anknüpfungspunkte haben – so etwa in der Sozialen Arbeit – oder ob wir uns von Anfang an breiter aufstellen und zum Beispiel auch Managementstudiengänge anbieten. Da gingen die Meinungen teils stark auseinander.“

Auch die Ausrichtung der Forschung an der Humanistischen Hochschule war von Debatten geprägt. Das lag aber nicht an den unterschiedlichen Vorstellungen der Organisator_innen, erzählt Krüger-Chan: „Die Professor_innen sind einfach noch nicht da. Vielleicht hat man im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeitenden schon Leute, aber da zurzeit noch die Berufungsverfahren laufen, ist die Professor_innenschaft noch ein weißer Fleck.“ Deren Schwerpunktsetzung und Lehre zu kennen, sei allerdings ein wichtiger Punkt, weil die Professor_innenschaft die Forschungsausrichtung bestimme.

Am Ende dieses Strategie- und Gründungsprozesses wurden die Ergebnisse im Antrag auf Zulassung gesammelt und beim Wissenschaftsrat eingereicht. Der stellt ein Gutachter_innengremium aus Professor_innen verschiedener Hochschulen und Fachrichtungen zusammen. Diese arbeiten sich durch die Unterlagen und schauen, ob alle Dokumente zu Studium, Forschung, Finanzierung und vielem mehr den harten Anforderungen entsprechen.

Überzeugungsarbeit in der Politik war vonnöten

Neben der Organisation aller wissenschaftlichen Aspekte musste allerdings auch politische Netzwerkarbeit geleistet werden. Diese bestand vor allem darin, zu erklären, welchen Beitrag eine Humanistische Hochschule für Berlin leisten kann, und zu verdeutlichen, dass ein gesellschaftlicher Wandel in Richtung einer immer weltlicher werdenden Gesellschaft ebenso wie gegenwärtige Krisen neuer Antworten bedürfen. Raczynski erläutert: „Wir haben parteiübergreifend viele Gespräche geführt, in denen wir die Notwendigkeit einer humanistisch begründeten Forschung deutlich gemacht haben.“

Diese Vermittlungsarbeit in Richtung Politik war nicht immer ein Selbstläufer. Hier habe es auch manchmal gehakt, erzählt Katrin Raczynski. Es gebe Politiker_innen, die nicht verstünden, warum es humanistische Forschung und Lehre – und damit auch den Bedarf für eine Hochschule – gebe. „Viele denken, Humanismus sei in allen möglichen Ideen vertreten“, erklärt Raczynski. Die Spezifik der humanistischen Weltanschauung müsse man immer wieder erklären.

Eine weitere Herausforderung in der politischen Arbeit rühre daher, dass politische Repräsentant_innen im Durchschnitt religiöser seien als der Rest der Bevölkerung. „Das führt dazu, dass eine Gründung wie die unsere immer mit spitzen Fingern angefasst wird – obwohl wir die konfessionellen Hochschulen in keiner Weise ‚bedrohen‘, sondern einfach eine wichtige Ergänzung des weltanschaulich-wissenschaftlichen Spektrums bieten“, sagt Raczynski. Der ganze Gründungsprozess sei deswegen von intensiver politischer Kommunikationsarbeit geprägt, erklärt die Vorstandsvorsitzende.

Im Jahr 2021 folgte dann trotz aller politischen Herausforderungen die Einreichung der Gründungsunterlagen zur staatlichen Anerkennung. Die Ansprüche an diese Unterlagen seien nach einer Reihe von privaten Hochschulgründungen deutlich gestiegen, berichtet Katrin Raczynski. „Wir haben natürlich den Vorteil, dass wir eine große Organisation sind und Kolleg_innen aus unterschiedlichsten Abteilungen einbinden konnten. Dennoch war es ein richtiger Kraftakt.“