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Stellungnahme „Für eine starke Sexuelle Bildung: Schutz, Aufklärung und Menschenrechte sichern“

Wir wenden uns entschieden gegen politische Bestrebungen, Sexuelle Bildung für Kinder einzuschränken sowie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu negieren, wie es zuletzt die AfD in der Drucksache 20/14717 (31.01.2025)[1] formulierte. Diesen Vorstoß der AfD sehen wir als einen massiven Rückschritt hinter ein wissenschaftlich fundiertes Sexualitätsverständnis und grundlegende sexuelle und reproduktive Menschenrechte. Für die sexuelle Integrität und Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ist eine umfassende, altersadäquate und diversitätsbewusste Sexuelle Bildung von großer Bedeutung. Auch belegen wissenschaftliche Studien (FEMM 2022[2]), dass Sexuelle Bildung maßgeblich zur Geschlechtergerechtigkeit, zur Prävention geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt sowie zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Menschen beiträgt. 

Sexuelle Bildung als Menschenrecht 

Sexuelle Bildung ist ein fundamentales Menschenrecht, das sowohl in internationalen Menschenrechtsabkommen als auch in der nationalen Gesetzgebung verankert ist. Sie gewährleistet den Zugang zu Informationen und Fähigkeiten, die für das Verständnis der eigenen geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung, für die Förderung von Respekt gegenüber anderen und für die Wahrung der sexuellen und reproduktiven Rechte unabdingbar sind. Das Recht auf umfassende Sexuelle Bildung ist daher nicht nur eine Frage des Wissens, sondern auch der Gesundheit und der persönlichen Freiheit. Jede Einschränkung dieses Rechts gefährdet sowohl das individuelle Wohlbefinden als auch das gesellschaftliche Zusammenleben, das auf gegenseitigem Respekt und Verantwortung beruhen muss. 

Eine Politik, die darauf abzielt, Sexuelle Bildung einzuschränken oder zu verunmöglichen, untergräbt diese grundlegenden Rechte. Eine derartige Ignoranz gegenüber dem Recht der Kinder und Jugendlichen auf sachliche und altersgerechte Informationen gefährdet ihre körperliche und seelische Gesundheit und schafft zugleich eine Gesellschaft, in der Diskriminierung und Gewalt gedeihen können. 

Die Bedeutung Sexueller Bildung für alle Altersgruppen 

Sexuelle Bildung ist ein lebenslanger Prozess. Sexualität ist ein zentraler Bestandteil des menschlichen Lebens, und jeder Mensch soll in der Lage sein, selbstbestimmt über seine sexuellen und reproduktiven Rechte zu entscheiden. Studien zeigen, dass die Vermittlung von sexualitätsbezogenem Wissen und Sexuelle Bildung im Jugend- und Erwachsenenalter nicht nur vor sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) und ungewollten Schwangerschaften schützt, sondern auch die Grundlage für gesunde, konsensuelle und respektvolle Beziehungen bildet. 

Politische Forderungen, die diese Tatsachen ignorieren, indem sie versuchen, Sexualaufklärung zu verhindern, unterstützen damit Unwissenheit. Dies führt zu einer Gesellschaft, in der gefährliches Halbwissen und Mythen über Sexualität und geschlechtliche Vielfalt gedeihen können – mit negativen Konsequenzen für alle Menschen. 

Sexuelle Bildung von Kindheit an – als Schutz vor sexualisierter Gewalt 

Bereits Kinder benötigen eine altersgerechte Sexuelle Bildung, um sprachfähig zu sein und sich ihrer eigenen Körpergrenzen bewusst zu werden. Dies setzt sprachfähige und informierte Eltern und pädagogische Fachkräfte voraus, die Sexualität nicht tabuisieren, sondern einen gesprächsbereiten Umgang vorleben. Dabei ist es wichtig, zu unterscheiden: Sexuelle Bildung in der Kindheit bedeutet nicht, Kinder mit erwachsenen Sexualitätskonzepten zu konfrontieren, sondern sie altersgerecht in ihrer Körperwahrnehmung, ihrem Wissen über Grenzen und Bedürfnisse sowie in ihrem Recht auf körperliche Selbstbestimmung zu stärken. In der o.g. Drucksache der AfD werden diese Ebenen vermischt und damit Schutzmaßnahmen untergraben, die nachweislich das Risiko für sexualisierte Gewalt verringern. Wer Sexuelle Bildung in der Kindheit abschaffen will, schützt damit nicht die Kinder, sondern potenzielle Täter*innen.  

In Deutschland sind etwa 9 % der Kinder und Jugendlichen ohne Behinderungen und 31 % der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen von sexualisierter Gewalt betroffen (Chodan et al. 2021[3]). Ein Großteil der Täter*innen stammt aus dem engen Familien- oder sozialen Umfeld (UBSKM 2022[4]). Eine ausschließliche Verlagerung der Sexualaufklärung für Kinder in die Familie, wie die AfD es in der o.g. Drucksache fordert, ist nicht im Sinne des Kindeswohls und beschränkt die Möglichkeiten von Kindern, sich im Fall von Grenzverletzungen und Gewalterfahrungen mitzuteilen und Hilfe zu erhalten. 

Wissenschaftliche Grundlage und Fachlichkeit der Sexualpädagogik 

Sexualpädagogische Forschung ist ein eigenes Forschungsfeld, stützt sich darüber hinaus aber auch auf fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse aus verschiedenen benachbarten Disziplinen, darunter Erziehungswissenschaft, Soziale Arbeit, Sexualwissenschaft, Psychologie, Gesundheitswissenschaft und Soziologie. Diese wissenschaftliche Absicherung ist notwendig, um sicherzustellen, dass Sexuelle Bildung sachlich, reflektiert und inklusiv erfolgen kann. Im Zentrum stehen nicht nur Fragen der Vermittlung von Fakten, sondern auch der Förderung von Achtsamkeit und Verantwortung im Umgang mit der eigenen Sexualität und Beziehungsgestaltung sowie der anderer Personen. 

Mit o.g. Drucksache wird die Fachlichkeit und die wissenschaftliche Grundlage der Sexuellen Bildung in Frage gestellt. Dies ist nicht nur ein Angriff auf die Arbeit von Sexualpädagog*innen, sondern auch ein Angriff auf die Wissenschaft selbst. Eine solche Strategie der Wissenschaftsfeindlichkeit trifft derzeit auch gezielt die Geschlechter- und Rassismusforschung und hat weitreichende Konsequenzen für Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen, die in ihrer alltäglichen Arbeit eingeschränkt oder persönlich angegriffen werden.  

Für eine starke Sexuelle Bildung 

Es liegt auf der Hand, dass Sexuelle Bildung vor Missbrauch, Gewalt und Diskriminierung schützt, die Selbstbestimmung fördert und zu einer gleichberechtigten und respektvollen Gesellschaft beitragen kann. Wir appellieren an alle politischen Entscheidungsträger*innen, sich für eine evidenzbasierte, umfassende und altersgerechte Sexuelle Bildung einzusetzen, die die Rechte und das Wohl jedes Einzelnen schützt und fördert. 

Der Vorstand der gsp 

Berlin, 14.02.2025 

Quelle: https://gsp-ev.de/stellungnahme-fuer-eine-starke-sexuelle-bildung-schutz-aufklaerung-und-menschenrechte-sichern/