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Gehsteigbelästigungen: Bundestag beschließt Gesetzesänderung zum Schutz Schwangerer

Berlin. Sie versammeln sich, um zu beten und zu singen, halten Bilder hoch von Föten und Babys, nennen Schwangerschaftsabbrüche „Kindstötungen“. Es sind Abtreibungsgegner, die sich zu sogenannten Mahnwachen vor Beratungsstellen und Praxen für Schwangerschaftsabbrüche versammeln. Oft schüchtern sie Schwangere damit ein, die gesetzlich verpflichtet sind, sich beraten zu lassen. Solche Mahnwachen werden auch Gehsteigbelästigungen genannt und sind nun verboten. Dafür wurde an diesem Freitag im Bundestag das Schwangerschaftskonfliktgesetz geändert. Künftig darf es in einem Umkreis von 100 Metern um entsprechende Einrichtungen keine Aktionen dieser Art mehr geben. Wer dagegen verstößt, dem droht ein Bußgeld in Höhe von 5000 Euro.

Katja Mast, erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion ist die Gesetzesänderung seit Langem wichtig. Es gehe den Abtreibungsgegnern nicht darum, Menschen über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, sondern Hilfesuchende zu stigmatisieren. „Wenn ich wirklich Interesse an Aufklärung habe, dann gehe ich dahin, wo Menschen sind und nicht zu einer Beratungsstelle, wo kaum Menschen vorbeikommen“, sagt die SPD-Politikerin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Gesetzesänderung zum Schutz der Schwangeren

Das geänderte Gesetz umfasst zwei Aspekte: Zum einen soll das Persönlichkeitsrecht der Schwangeren geschützt werden. Der psychische und physische Schutz der Hilfesuchenden müsse gewährleistet werden. Mast sagt: „Ich finde es schlimm, dass man Frauen in so einer Notsituation auch noch unter Druck setzen will – durchs Beobachten, durch Bilder und Gesänge.“ Zum anderen gehe es darum zu verhindern, dass Schwangere durch die Gehsteigbelästigung sich nicht trauen, eine Beratungsstelle aufzusuchen – wozu sie aber verpflichtet sind.

Schwangere, die eine Abtreibung in Erwägung ziehen, müssen innerhalb der ersten zwölf Wochen eine Beratung in Anspruch nehmen und danach mindestens drei Tage bis zum Eingriff warten. Nur so ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland straffrei. Und weil der Staat die Schwangeren zu der Beratung verpflichtet, müsse er auch den Zugang zu entsprechenden Beratungsstellen sicherstellen, heißt es nun in dem Gesetz. Man könne nicht von ihnen verlangen, an einem anderen Tag wiederzukommen, wenn keine Proteste stattfinden.

Kritik aus der Union

Mit der Union wäre ein solches Gesetz nicht möglich gewesen, sagt Mast: „Die Union ist der Meinung, solche Vorfälle seien nur punktuell und es sei nicht nötig, das zu regeln.“ Die Rechtsexpertin der Union, Elisabeth Winkelmeier-Becker, kritisiert das Gesetz: „Die Ampel hat auch auf Nachfrage nicht belegen können, dass es Probleme gibt, die sich mit allgemeinem Ordnungsrecht in der Abwägung von Meinungsfreiheit und Schutz vor Belästigung nicht regeln ließen.“ Das Gesetz sei ein unnötiger Einschnitt in die Meinungsfreiheit, sagt sie dem RND. Dass man Abtreibungsgegner damit in ihrer Meinungsfreiheit einschränke, weist Mast zurück: „Die können ihre Meinung ja weiter im öffentlichen Raum kundtun. Nur eben nicht da, wo verschiedene Grundrechte gegeneinander abzuwägen sind.“

Die Beratungsstelle Pro Familia unterstützt das neue Gesetz: „Religiöse Gruppierungen, die gegen das Selbstbestimmungsrecht von Schwangeren ankämpfen, können sich künftig bei ihren Belagerungen der Beratungsstellen nicht mehr auf das Demonstrationsrecht berufen. Sie riskieren ein Bußgeld, wenn sie sich mit dem impliziten Vorwurf an Klientinnen und Klienten richten, Kindesmörderinnen und Kindsmörder zu sein.“ Das Gesetz bringe Schwangeren zumindest etwas mehr Sicherheit: „Sie brauchen nicht mehr zu befürchten, dass der Weg in die Beratung eine Zumutung ist und Angst auslöst“, so Pro Familia zum RND.

Auch der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) begrüßt die Gesetzesänderung: „Ratsuchende haben ein Recht auf eine vertrauliche und anonyme Beratung, ohne belästigt zu werden. Wir brauchen eine rechtliche und einheitliche Handhabe, um Ratsuchende vor diesen Belagerungen zu schützen“, sagt Chris Heike Lau, Projektleiterin der Schwangerschaftskonfliktberatung beim HVD.

Quelle: https://www.rnd.de/politik/gehsteigbelaestigungen-durch-abtreibungsgegner-ampel-will-schwangere-besser-schuetzen-EU5PVPI5VZGFPNWHGAUZ4M6EA4.html

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Chris Heike Lau
Diplom Sozialpädagogin/ Sexualpädagogin/ Projektleitung