Zwei Berichte sind in den letzten Tagen zum Thema Schwangerschaftsabbruch erschienen.
Die von der Ampelkoalition im letzten Jahr eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat ihre Untersuchungsergebnisse vorgestellt.
Nachzulesen im diesseits: Das humanistische Magazin
Zwei Berichte sind in den letzten Tagen zum Thema Schwangerschaftsabbruch erschienen.
Die von der Ampelkoalition im letzten Jahr eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat ihre Untersuchungsergebnisse vorgestellt.
https://diesseits.de/zur-debatte/2024/schwangerschaftsabbruch-paragraf-218-jetzt-muss-gehandelt-werden/
Zwei Berichte sind in den letzten Tagen zum Thema Schwangerschaftsabbruch erschienen.
Die von der Ampelkoalition im letzten Jahr eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat ihre Untersuchungsergebnisse vorgestellt.
Gleichzeitig wurden erste Ergebnisse der sogenannten ELSA-Studie präsentiert, die im Auftrag der Bundesregierung seit 2020 zu „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ geforscht hat. Die bislang vorliegenden Studienergebnisse bestätigen, dass sich alle befragten Frauen stigmatisiert fühlen, sie haben angesichts gesellschaftlicher Erwartungen ein Gefühl von Schuld.1 Schuld daran sind nicht nur die sogenannten Gehsteigbelästigungen durch aggressive selbsternannte Lebensschützer.https://diesseits.de/zur-debatte/2024/schwangerschaftsabbruch-paragraf-218-jetzt-muss-gehandelt-werden/
Zwei Berichte sind in den letzten Tagen zum Thema Schwangerschaftsabbruch erschienen.
Die von der Ampelkoalition im letzten Jahr eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat ihre Untersuchungsergebnisse vorgestellt.
Zwei Berichte sind in den letzten Tagen zum Thema Schwangerschaftsabbruch erschienen.
Die von der Ampelkoalition im letzten Jahr eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hat ihre Untersuchungsergebnisse vorgestellt.
Gleichzeitig wurden erste Ergebnisse der sogenannten ELSA-Studie präsentiert, die im Auftrag der Bundesregierung seit 2020 zu „Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“ geforscht hat. Die bislang vorliegenden Studienergebnisse bestätigen, dass sich alle befragten Frauen stigmatisiert fühlen, sie haben angesichts gesellschaftlicher Erwartungen ein Gefühl von Schuld.1 Schuld daran sind nicht nur die sogenannten Gehsteigbelästigungen durch aggressive selbsternannte Lebensschützer.
In erster Linie verantwortlich für Schuldgefühle bei ungewollt schwangeren Frauen, die einen Abbruch vornehmen wollen, ist die bestehende Gesetzeslage. Gemäß § 218 StGB sind Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich rechtswidrig und damit strafbar. Ausnahmen bilden Abbrüche aufgrund medizinischer Indikation. Abbrüche in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen werden nicht bestraft, wenn ihnen eine Pflichtberatung vorangegangen ist und danach eine dreitägige Wartefrist eingehalten wurde.
Als weitere Belastungen für ungewollt schwangere Frauen kommen eine vielerorts schlechte medizinische Versorgung und bisweilen auch finanzielle Probleme hinzu.
Um die Lage für ungewollt Schwangere grundlegend zu verbessern, hat die Ampelkoalition einer hochkarätig besetzten Kommission unter anderem die Frage gestellt, wie das Thema Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafrechts geregelt werden kann. Die neun Professorinnen, die für diese Untersuchung verantwortlich waren, kamen aus den Bereichen Medizin, Ethik und Recht. Sie haben in ihre Untersuchungen Stellungnahmen von relevanten Verbänden der Zivilgesellschaft eingeholt und Anhörungen durchgeführt. Auch unser Verband war dabei einbezogen. Die jetzt von der Kommission vorgelegten Empfehlungen spiegeln nicht nur gesellschaftliche Einstellungen wider. Sie zeichnen sich insbesondere durch eine sehr gründliche Abwägung der rechtlichen Ausgangssituationen und der Möglichkeiten des Gesetzgebers aus.
Die aktuelle Rechtslage ist dadurch geprägt, dass dem Ungeborenen ab Einnistung in die Gebärmutter vom Bundesverfassungsgericht ein unbeschränkter Lebensschutz nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eingeräumt wurde, das der Gesetzgeber zu beachten hatte. Dahinter stehen gesellschaftlich vor allem religiöse Vorstellungen von Beseelung bzw. Gottesebenbildlichkeit, die den Embryo/Fetus sakrosankt machten. Der Kommissionsbericht geht zwar auf die Ideen- und Rechtsgeschichte zum Schwangerschaftsabbruch ein. Dem Ungeborenen kann aber bei differenzierter Betrachtung von Verfassung und Grundgesetz nicht bereits ab Einnistung ein unbegrenzter Schutz gewährt werden. So arbeitet es die Kommission heraus.
Die Kommission sieht Schutzrechte für das ungeborene Leben von Beginn an, setzt diese aber geringer an als die eines lebensfähigen Fetus oder eines Neugeborenen.
„In der Abwägung mit den Grundrechten der Schwangeren spricht viel dafür, dass das Lebensrecht des Embryos/Fetus mit geringerem Gewicht zum Tragen kommt als beim geborenen Menschen. Erst ab Lebensfähigkeit ex utero gewährt Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG2 für den Fetus starken Schutz, der dem Lebensrecht des geborenen Menschen nahekommt. Ab der Geburt entfaltet Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG umfassenden Schutz.“3
„Bei dieser grundrechtlichen Konfliktlage haben die Belange des Embryos/Fetus in der Frühphase der Schwangerschaft grundsätzlich Nachrang gegenüber den Grundrechten der Schwangeren. In den ersten Wochen nach Nidation hat das Lebensrecht des Embryos/Fetus geringes Gewicht. Gleichzeitig genießt das Verlangen der Frau nach einer Beendigung der Schwangerschaft starken grundrechtlichen Schutz.“4
Mit dieser Auffassung ergibt sich für die Kommission zweifelsfrei, dass der Gesetzgeber im ersten Teil der Schwangerschaft den Frauen straffrei den Abbruch gestatten muss und hier das Strafrecht nichts zu suchen hat. Diese Einschätzung und Empfehlung für den ersten Teil der Schwangerschaft dürfte in der Gesellschaft große Zustimmung finden, bis weit hinein in religiöse Milieus. Das Schuldgefühl ungewollt Schwangerer, die einen Abbruch planen, und die schlechte Versorgungslage sollten Grund dafür sein, dass der Gesetzgeber hier schnell Konsequenzen zieht, den Schwangerschaftsabbruch im ersten Teil der Schwangerschaft legalisiert und für ausreichende medizinische und finanzielle Möglichkeiten zur Umsetzung sorgt.
Hier unterstützen wir auch den Aufruf von Terre des Femmes und anderen Verbänden zur schnellen Umsetzung dieser Kommissionsempfehlung.
Rechte des lebensfähigen Fetus
Die aktivistischen Forderungen „Weg mit § 218“ oder auch „Frauen können alleine entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft abbrechen wollen oder nicht“ greifen zu kurz. Die Problematiken am Ende der Schwangerschaft werden dabei übersehen. Unser Verband hatte in seinem Statement zum Schwangerschaftsabbruch von 2022, in seiner Stellungnahme an die Kommission und bei der Anhörung darauf hingewiesen, dass es am Ende der Schwangerschaft ungeregelte Verhältnisse im Hinblick auf embryopathische Indikationen gibt. Hierbei geht es nur mittelbar um ein Leiden der Schwangeren. Es geht um die Frage, unter welchen Bedingungen das auszutragende Kind wird leben können oder müssen. Unsere Auffassung steht hier im Gegensatz zu Positionen, die Ungeborenen keinerlei Rechte zuerkennen, sondern Grundrechtsschutz erst für das neugeborene Kind vorsehen.5 Eine solche ethisch verkürzte Position widerspricht dem Empfinden in der Bevölkerung und insbesondere dem Empfinden der meisten Schwangeren6, die in einem Spätstadium der Schwangerschaft vor der Entscheidung zu einem Abbruch stehen. Auf die Problematik des Grundrechtsschutzes für den überlebensfähigen Fetus weist nun auch die Kommission in ihrem Bericht hin: Dem lebensfähigen Fetus müssen eigenständige Rechte eingeräumt werden. Diese müssen sich auch im Schwangerschaftsrecht niederschlagen. In diesem Zusammenhang heißt es im Bericht:
In der letzten Schwangerschaftsphase „gilt Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG mit starkem Schutz, der dem des geborenen Menschen nahekommt. Demgegenüber haben die grundrechtlich geschützten Belange der Schwangeren mit Blick auf die bereits lange währende Dauer der Schwangerschaft ein vergleichsweise geringes Gewicht.“ Im bisherigen Schwangerschaftsrecht gibt es die Verbotsausnahme im Falle einer medizinischen Indikation, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft für die Schwangere akut lebens- oder gesundheitsbedrohend ist. Davon unterschieden werden müssen aber Konstellationen, bei denen es um „Belastungen durch die postnatale Existenz des Kindes, also aus der Verantwortung für das Kind nach der Geburt“ geht. „Solche Belastungen können insbesondere bei einem pränataldiagnostisch auffälligen embryo- bzw. fetopathischen Befund entstehen.“
Ein embryo- bzw. fetopathisch motivierter Schwangerschaftsabbruch wird bislang vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt. Es gibt keine gesetzlichen Kriterien für die Beurteilung eines Schwangerschaftsabbruchs in einem solchen Fall.7 Dies stellt die Schwangere und medizinisch und/oder psychologisch und ethisch Beteiligte mitunter vor große Probleme.
Der Gesetzgeber sollte diese Problemlagen überdenken und die medizinische Indikation einschließlich der Fälle pränataldiagnostisch auffälliger Befunde neu regeln. Dabei wird er auch zu erwägen haben, ob er den Schwangerschaftsabbruch bei einem embryo- bzw. fetopathischen Befund wieder als eigenständigen (Erlaubnis-)Tatbestand regelt. Dies wirft unter anderem die Frage auf, ob ein solchermaßen begründeter Schwangerschaftsabbruch mit dem Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG vereinbar ist.
Die Diskussion über diese Problematik lässt sich sicher nicht schnell zu einem Ergebnis bringen, aber sie muss geführt werden. Dabei spielen einerseits PID-Ergebnisse eine Rolle, sonstige medizinische Beobachtungen und natürlich auch Fragen, wie erwartbare Behinderungen und Einschränkungen des Lebens des Fetus zu werten sind. Dies ist auch abhängig von der Frage, wie die Gesellschaft mit entsprechenden Einschränkungen umgeht, welchen Platz sie der nötigen Fürsorge einräumt.
Was jetzt zu tun ist
Die Lösung der zuletzt genannten Probleme darf den Gesetzgeber nicht davon abhalten, das anzupacken und zu lösen, was ohne Weiteres möglich ist. Das betrifft zunächst die Liberalisierung der Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf8 Wochen der Schwangerschaft. Der gesellschaftliche Konsens dazu dürfte inzwischen groß sein9 und wird bei entsprechender Aufklärung weiterwachsen. Dass das Bundesverfassungsgericht ein weiteres Mal einen unbegrenzten Lebensschutz für den Embryo fordern wird, ist nicht zu erwarten. Zu den kurzfristig notwendigen und realisierbaren Maßnahmen gehören die Verbesserung der Versorgungslage im Hinblick auf den Abbruch selbst und das bereits angedachte Verbot sogenannter Gehsteigbelästigungen. Bei der Verbesserung der Versorgungslage ist auch an die Kostenübernahme zu denken, zumindest bei sozialer Notlage, und an die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Ausbildung.
[2] „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“
[3] Kommissionsbericht S. 245
[4] Kommissionsbericht S. 246
[5] Eine solche Position wird beispielsweise vom Institut für Weltanschauungsrecht der Giordano Bruno Stiftung vertreten, wo lediglich bei einer vorgeburtlichen Tötung des Fetus Rücksicht auf eine vorhandene Schmerzempfindlichkeit verlangt wird.
[6] In der Regel auch deren Partnern. Das Kind hat hier üblicherweise bereits einen „Namen“, es gibt Kontakte zu ihm …
[7] Leider werden diese Fälle bislang auch nicht statistisch erfasst.
[8] Nach unserer Auffassung ist dieser Zeitraum, untersetzt durch den wissenschaftlichen Forschungsstand zur Empfindungsfähigkeit von Embryonen/Feten, durchaus um einige Wochen verlängerbar, etwa bis zur 20. Woche.
[9] Siehe Umfragen:
Der Tag: Deutliche Mehrheit ist für Straffreiheit bei Abtreibungen | n‑tv.de
Umfrage Dezember 2022: 83 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aus | Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung
Große Mehrheit: Abtreibung soll keine Straftat sein | Die Tagespost