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Kampagne „Wichtiger als Du denkst!“

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„Wichtiger als Du denkst…“
Wohlfahrtsverbände starten Social-Media-Kampagne zum Haushaltsentwurf 2024/25 mit überraschenden Zahlen

Die Freien Wohlfahrtsverbände AWO, Caritas, Diakonie, Paritätischer und Jüdische Gemeinde starten heute die breit angelegte Social-Media-Kampagne „Wichtiger als Du denkst…Die Freien Träger stützen das soziale Berlin“. In den Verhandlungsmonaten zum Berliner Haushalt wird der Senat auf sämtlichen Kanälen daran erinnert: Die vorgesehenen Kürzungen sozialer Hilfen durch die freien Träger müssen jetzt verhindert werden, denn ohne uns gibt es kein soziales Berlin.

11.500 Jugendhilfeplätze, 1.600 Kitas, 14.000 Klinikbetten, 8.000 Plätze für Geflüchtete, 160.000 Mitarbeitende… Wer sich über die Kampagnenvideos auf LinkedIn, Twitter, Instagram und Facebook auf die Landing Page locken lässt, stößt auf überraschende Zahlen. Zahlen, die offenbar manchen Haushaltspolitikerinnen und -politikern in diesen Tagen nicht klar sind.

Andrea U. Asch, LIGA-Federführung und Diakonie-Vorständin: „Die Freien Träger stellen in den verschiedenen Arbeitsfeldern 55% bis 100% der sozialen Angebote der Hauptstadt sicher. Wenn Senat und Regierung ihre sozialen Errungenschaften und schnellen Hilfen in der Öffentlichkeit darstellen, sind fast immer unsere freien Einrichtungen aktiv geworden. Im staatlichen Auftrag holen unsere Haupt- und Ehrenamtlichen die Kohlen aus dem Feuer - und zwar seit Jahren chronisch unterfinanziert.“

Die Kampagne macht deutlich: Der Berliner „Rekordhaushalt“ hat die Wirkung eines Sparhaushalts, er gefährdet ganz konkret soziale Angebote oder streicht sie aktiv zusammen. Die Steigerung i.H.v. 2,5% und 3,8% deckt nicht einmal die Inflationsrate ab. Es fehlt Geld für Verwaltung und Overheadkosten, sowie für Mieten, Material und Energie. Bis zu 80% der krisenbedingten Kostensteigerungen werden ignoriert. Wohnungen und Gewerberäume sind kaum oder nicht mehr zu bezahlen, qualifizierten Mitarbeitenden können nur befristete Verträge angeboten werden, Azubistellen werden nicht finanziert. Moderne IT, sanierte Räume, Klimaschutzmaßnahmen sind nur möglich, wenn die Stadtgesellschaft genug Geld in der Tasche hat, um fleißig zu spenden. Oder wenn größere Sozialeinrichtungen kontinuierlich zubuttern. In der Krise werden zahlreiche soziale Angebote zu Beatmungspatienten, anstatt ihre Hilfe auszuweiten.

Für Tarifanpassungen bei den freien Trägern planen einzelne Senatsverwaltungen 2,8% im Verhältnis zu 2021 ein. Die Folge: Wer seine Mitarbeitenden markt- und wettbewerbsgerecht bezahlen möchte – in der Branche wurden Abschlüsse bis zu 10 % erzielt – muss im schlimmsten Fall seine Angebote einstellen. Gleichzeitig sollen die Gehälter Landesbediensteter mithilfe von Steuermitteln auf Bundesniveau steigen und werden weiterhin um eine Hauptstadtzulage ergänzt.

Andrea U. Asch: „Unseren Einrichtungen und Projekten wird suggeriert: Wenn wir nicht in Eurem Bereich kürzen, müssen wir an anderen Hilfeformaten sparen. Das können und werden wir nicht akzeptieren. Führende Landespolitikerinnen und - politiker haben sich gegen das Diktat der Schuldenbremse ausgesprochen. In einer Zeit rasant steigender Bedarfe ist das richtig, auch wenn es andere kreative Lösungen für Einsparungen gibt, die eine nachhaltige und stabile soziale Infrastruktur nicht gefährden.“ 

Die Wohlfahrtsverbände werden weiterhin den konstruktiven Austausch suchen und klar die Konsequenzen einer Sparpolitik in Zeiten ungewöhnlich hoher Sozialbedarfe aufzeigen. Für alle demokratischen Parteien, die sich Teilhabe und ein soziales Berlin auf die Fahnen geschrieben haben, können Kürzungen nicht akzeptabel sein.

Hier einige Kürzungs-Beispiele von vielen:
Wichtiger als Du denkst…

Sucht- und Drogenberatungsstellen, Drug-Checking, Sprachmittlung für geflüchtete Menschen im Gesundheitsbereich. Das alles leisten Freie Träger in zahlreichen Projekten und Beratungsstellen, u.a. finanziert über das Integrierte Gesundheits- und Pflegeprogramm (IGPP). Allein hier plant der Senat 600.000 EUR einzusparen. Öffnungszeiten müssten dann reduziert und Angebote komplett eingestellt werden. Das bedeutet z.B, dass lebensrettende Dolmetschdienste bei der ärztlichen Versorgung geflüchteter Menschen nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen, dass das gerade erfolgreich gestartete Projekt Drug-Checking gefährdet ist und es Angebote für Kinder suchtkranker Eltern nicht in dem Umfang gibt, wie sie eigentlich gebraucht werden.“

„Wichtiger als Du denkst… 
Gesundheitsversorgung für wohnungslose Menschen. Im einzigartigen Wohnheim Nostitzstraße werden 43 Männer die zum überwiegenden Teil suchtkrank sind (Alkohol und Drogen) bzw. physisch und psychisch beeinträchtigt, professionell pflegerisch, medizinisch und pädagogisch betreut. Die geplanten Haushaltkürzungen bedeuten hier und in der Krankenwohnung in der Turmstraße für die Versorgung große Einschränkungen und würden nicht mehr in aller Breite durchgeführt werden können. Die Konzeption einer ganzheitlichen Betreuung ist in Gefahr. Auch die Ambulanz am Bahnhof Zoo – seit 29 Jahren fester Anlaufpunkt für Wohnungslose mit 5.000 Behandlungen pro Jahr - müsste bei Umsetzung der geplanten Kürzungen zwei Tage pro Woche schließen“

Wichtiger als Du denkst…
Jugendclubs als Orte der begleiteteten Persönlichkeitsentwicklung und Gewaltprävention. Vor 30 Jahren sammelten die Beatsteaks im diakonischen Jugendclub „Die Linse“ ihre erste Bühnenerfahrung. Neben anderen Jugendfreizeiteinrichtungen muss der Club in Lichtenberg schließen. Die staatlichen Förderungen reichen schon lange nicht mehr, Mittel aus dem Gipfel gegen Jugendgewalt oder eine bessere Finanzierung über den Haushalt sind nicht in Sicht. Denn auch die Bezirke werden nicht ausreichend ausgestattet.

Wichtiger als Du denkst…
Schwangerschaftsberatungsstellen. Im ersten Halbjahr 2023 haben allein die Beratungsstellen von pro familia Berlin 1.600 Hilfesuchende und Anfragen von Schulen zu sexualpädagogischen Angeboten aufgrund fehlender Kapazitäten absagen müssen, davon allein 597 Konfliktberatungen. Sollte die Kürzung umgesetzt werden, könnte es passieren, dass pro familia Berlin quasi geschlossen werden müsste.“

Wichtiger als Du denkst… Krankenhäuser in freier Trägerschaft mit insgesamt 14.420 Betten. Die freien Kliniken sind unersetzlich für die Berliner Gesundheitsversorgung und stehen seit Jahren vor immensen wirtschaftlichen Herausforderungen. Während sie ums Überleben kämpfen, werden die Defizite des landeseigenen Vivantes-Konzerns Jahr für Jahr durch das Land Berlin ausgeglichen. Zusätzlich für die „Green Hospital“-Mittel zur energetischen Gebäudesanierung kurzerhand aus dem Haushaltsentwurf gestrichen.

„Wichtiger als Du denkst… Begleitung und Versorgungskoordination für Familien mit schwer und chronisch kranken Kindern durch den Traglinge e.V.. Durch die coronabedingten Lebenskrisen und die Ukrainekrise steigen die betreuten Familienzahlen in diesem Senatsprojekt stetig und können.

Quelle: (https://www.paritaet-berlin.de/aktuelles/detail/kampagne-wichtiger-als-du-denkst)