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Zu Hause Abschied nehmen

Gitti Lohr/pixabay.com

Wie ich eine kleine Trauerfeier in den eigenen vier Wänden durchführen kann,  wenn etwas Anderes gerade nicht möglich ist

Einen würdevollen Erinnerungsort schaffen

Ich kann einen "würdevollen Ort" in meiner Wohnung erschaffen, etwa einen kleinen Beistelltisch in einer besonderen Ecke der Wohnung. Dieser Ort kann mir in nächster Zeit helfen, mich achtsam, bewusst und respektvoll an den geliebten Menschen zu erinnern, den ich verloren habe.

Ich muss akzeptieren, dass dieser Mensch gestorben ist. Das ist hart genug. Aber ich musst ihn nicht einfach loslassen und vergessen. Auch nicht als ein Mensch, der nicht an eine jenseitige Welt und ein Leben nach dem Tod glaubt. Ich kann diesen Tisch aufstellen und in Ehren halten, solange ich das brauche und will. Darauf kann ich Blumen stellen, ein Bild des geliebten Menschen und persönliche Gegenstände, die ich mit ihm verbinde und die mich in positiver Weise an ihn erinnern.

Das kann alles Mögliche sein, eventuell auch eine CD mit Songs, die mich mit dem verstorbenen Menschen verbunden haben. Oder bestimmte handgeschriebene Briefe, die er oder sie mir geschrieben hat. Eine Kerze kann dort auch ihren Platz finden, und wann immer mir danach ist, kann ich sie anzünden, um meinem Respekt und meiner Liebe für diesen Menschen Ausdruck zu verleihen.

Ein kleines Ritual feiern

Zu bestimmten Zeiten, zum Beispiel, wenn eine Teilnahme an einer Trauerfeier nicht möglich ist, aber auch am Geburtstag oder Todestag des verstorbenen Menschen, kann ich eine eigene kleine Feier in meinen eigenen vier Wänden durchführen – mit allen, die mit mir im Haushalt wohnen oder zusätzlich noch denen, die mich besuchen dürfen, können, und mögen. Wenn ich mag und technik-affin genug bin, kann ich auch Freund_innen und Angehörige mittels Online-Streaming zu einem bestimmten Zeitpunkt zu dieser Trauerfeier einladen. Aber auch, wenn ich alleine lebe, kann ich dieses Ritual feiern.

Ich setze einen bestimmten Zeitpunkt fest und lade, sofern möglich, andere Menschen dazu ein. Wenn es soweit ist, gehe ich in dieser Zeit, wenn es irgendwie geht, nicht ans Telefon und versuche, auch andere potentielle Störquellen zu minimieren.

Zu Beginn zünde ich eine Kerze an, die ich vorher auf meinen Erinnerungsort gestellt habe. Nun spreche ich, wenn ich mag, den Namen des verstorbenen Menschen laut aus. Der Name eines Menschen markiert seine Identität, seine Ansprechbarkeit als menschliches Wesen, indem ich ihn ausspreche, würdige und respektiere ich symbolisch diesen Menschen, sein Leben auf dieser Erde und meine Verbindung zu ihm.

Dann kann ich dreimal in Ruhe ein- und ausatmen, wenn es mir gut tut, um mich zu sammeln.

Als nächstes spreche ich vor den anwesenden Freund_innen und Familienmitgliedern über meine liebsten Erinnerungen an den verstorbenen Menschen, teile mit Ihnen Traurigkeit, Wut, Angst, Freude und Dankbarkeit, was immer da ist und zum Ausdruck meiner Trauer gehört, ist gut und darf sein. Ich teile alles, was wichtig ist und was ich wirklich teilen möchte. Was der verstorbene Mensch mir bedeutete. Was ich von ihm in Erinnerung behalten will. Nach mir können andere Anwesende es mir dann gleichtun und ihre eigenen Erinnerungen teilen.

Wenn ich alleine bin, rekapituliere ich meine Erinnerungen in Ruhe und Stille. Es kann sehr hilfreich sein, wesentliche und wichtige Gedanken und Gefühle, dir mir dabei in den Kopf kommen, aufzuschreiben. Ich nehme mir für diesen Fall eine kleine Kladde mit einigen leeren Seiten und einen Stift und lege beides mit auf meinen Erinnerungsort.

Im Anschluss daran könnte ich einen Text vorlesen, einen Brief etwa, oder Lyrik, die mir gefällt und die mir etwas bedeutet. Das kann auch etwas sein, was ich selber geschrieben habe. Wenn ich alleine bin, lese ich den Text ganz bewusst für mich, und vielleicht tut es mir gut, ihn laut zu lesen.

Schließlich könnte ein Musikstück den Raum erfüllen, das mich besonders mit dem verstorbenen Menschen verbindet und das die kleine Feier abrundet.

Danach kann ich, wenn ich mag, einfach das Wort "Danke!" laut aussprechen – etwa als Zeichen der Verbundenheit mit allen Freund_innen und Angehörigen, die ihre Liebe und Trauer mit mir teilen.

Am Ende der kleinen Zeremonie kann ich die Kerze ausblasen im Bewusstsein, dass ich sie jederzeit wieder anzünden kann, wenn mir der Sinn danach steht.

Ganz zum Schluss kann ich noch einmal in Ruhe drei Atemzüge nehmen und dann in meinen Alltag zurückkehren.  

Der Erinnerungsort bleibt mir erhalten, und ich kann durch ihn meines geliebten Menschen gedenken, solange und sooft ich es brauche.

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Christian Lisker
Referent für praktischen Humanismus
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