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Ein Gesamtwerk voller unbestechlicher Erinnerungsarbeit

"Mit ihrem Votum für »Der Gott jenes Sommers« verleihen die Stifter den Uwe-Johnson-Preis 2018 an einen Autor, in dessen Gesamtwerk die unbestechliche Erinnerungsarbeit eine zentrale Rolle spielt.

In seinem neuen Roman zeigt Ralf Rothmann aus der Sicht eines dreizehnjährigen Mädchens, dass Krieg nicht allein Tod und Verletzung, Entbehrung und Angst oder die Sorge um die Angehörigen bedeuten. Es geht ihm nicht nur um die Darstellung der äußeren Gewalt. Rothmann beschreibt eindrucksvoll, wie der Krieg die Seele angreift und die ‚ethische Sicherheit’ des einzelnen bedroht.

»Der Gott jenes Sommers« ist geprägt von einer Schreibweise, in der die präzise Darstellung des tagtäglichen Lebens vordringt zu einem minutiösen Abwägen zwischen Freiheit und Zwang, zwischen Widerstand und Resignation, Erlaubtem und Verbrechen – und deren Zwischenstufen. Indem der Autor in seinen Roman Erzählstücke hineinwebt, die im Dreißigjährigen Krieg angesiedelt sind, stellt er eine Verbindung der Zeiten her und wirft die existenzielle Frage auf, ob der Mensch aus den Kriegen ‚gelernt’ hat.

Die außergewöhnliche Fülle an Details und die Art der Darstellung lassen uns staunend erfahren, wie das letzte Kriegsjahr und der Sommer 1945, die still und leise aus den Berichten von Zeitzeugen zu verschwinden drohen, durch das literarische Erinnern erneut wichtig werden für die Gegenwart. Ralf Rothmanns Kunst besteht darin, dem Individuum Rechnung zu tragen und es zugleich in den gesellschaftlichen Zeitläuften zu verorten, in die es – oft gegen seinen Willen – hineingezogen wird. Das impliziert neben dem Realismus des Erzählens, wie bei Uwe Johnson, die Wort für Wort artikulierte Hoffnung: Das private und allgemeine Verhängnis dürfen nicht das letzte Wort behalten."

Die feierliche Preisverleihung an Ralf Rothmann findet während der Uwe-Johnson-Tage am 21. September 2018 in der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern in Berlin statt.