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  • Jugendweihe 1928 in Berlin-Bohnsdorf (c) Archiv des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg
    Jugendweihe 1928 in Berlin-Bohnsdorf (c) Archiv des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg

Tradition Jugendweihe

In der Zeit der bürgerlichen Revolution 1848/49 wandten sich aufgeklärte Mitglieder freireligiöser Gemeinden von den Kirchen und damit auch von Konfirmation und Firmung ab. Sie entwickelten eine neue Form des Feierns. 1852 tauchte erstmals der Begriff "Jugendweihe" auf. Als Alternative zur Konfirmation war sie für 14-jährige junge Menschen die außerkirchliche Feier zur Schulentlassung.

Als 1889 im Konzerthaus Leipziger Straße die erste proletarische Jugendweihefeier in Berlin stattfand, war das eine Zeit, in der die wachsende Freireligiöse Gemeinde zu Berlin, schwer unter Beschuss geriet. Seit ihrer Gründung 1845 hatten sich zunehmend sozialdemokratische Arbeiter der Gemeinde angeschlossen, die zusätzlich zu den ohnehin kritisierten freidenkerischen, religions- und staatskritischen Positionen für öffentlichen Unmut sorgten. Nicht zufällig traf es auch den damaligen Jugendlehrer Fritz Kunert. Kunert war ab Mai 1888 damit betraut worden, an der Schule der Gemeinde wöchentliche Jugendweihestunden für Kinder zwischen 8 und 14 Jahren auszurichten. In seinen Jugendweihestunden widmete er sich gemeinsam mit den Kindern einer kritischen Religionsgeschichte und dogmenfreier Morallehre. Zu damaliger Zeit eine Unerhörtheit. So war auch die Teilnahme an den Jugendweihen eine Provokation:

 "Gemessen an der Gesamtzahl der Schulentlassenen in Berlin nahmen höchstens zwei Prozent der Kinder an der Jugendweihe teil. Politische Repressalien, polizeiliche Einschüchterungen und der Zwang, bei der Lehrstellensuche einen Konfirmationsschein vorzulegen, ließen die Jugendweihe zunächst nur für einen kleinen klassenbewussten Teil der Arbeiterschaft attraktiv erscheinen." (Manfred Isemeyer)

Dennoch nahmen die Jugendweihen bald einen festen Platz in den Festkalendern der Berliner Arbeiter ein. Mit den ersten großen Kirchenaustrittswellen Anfang des 20. Jahrhunderts vervielfachte sich die Bedeutung der Jugendfeiern, so dass auch bald die Sozialdemokratische Partei gemeinsam mit Gewerkschaften und Arbeiterjugend eigene Feiern ausrichteten. Anders als die Freireligiöse Gemeinde verzichtete man hier allerdings zunächst auf einen vorbereitenden Unterricht, der erst in der Weimarer Republik auch für die Feiern der Unabhängigen Sozialisten übernommen wurde.

In den 1920er Jahren fanden in Freidenker-Kreisen nach und nach explizit revolutionäre Inhalte ihren Weg in die Festprogramme der Jugendfeiern. Arbeiterlieder, Sprechchöre und "Internationale" appellierten an ein proletarisches Gemeinschaftsgefühl, allerdings ohne parteipolitische Ausrichtung. Parallel wurden die freidenkerischen Jugendweihe-Stunden zu einem ethischen, lebenskundlichen Unterricht weiterentwickelt, der in Berlin, Hamburg und Thüringen auch die Zulassung durch die Schulbehörden erreichen konnte.

Als im Mai 1932 der kommunistische Freidenkerverband verboten wurde, bedeutete das zunächst auch das Ende für die Jugendfeiern. Illegal oder getarnt als private Feiern wurden vereinzelt bis Kriegsbeginn auch weiterhin Jugendweihen veranstaltet. Versuche der Nationalsozialisten, die proletarischen Jugendweihen als faschistische Verpflichtungsfeiern anstelle der Konfirmationen einzuführen, scheiterten am Widerstand der evangelischen Kirche und stießen auf wenig Interesse bei den Arbeitern.

Nach 1945 lebte die Jugendweihe in den Westsektoren der Stadt wieder auf. Hier konnten die wiederbelebten freidenkerischen Verbände nahezu nahtlos an die Tradition vor 1933 anschließen. In der DDR, die häufig als Referenz für die heutigen Jugendfeiern angenommen wird, war diese Feierform bis 1954 nicht zugelassen. Danach nutzte der Staat die Jugendweihe, um die Jugendlichen den eigenen Zwecken zu weihen.

Der Humanistische Verband Deutschlands, der sich als Zusammenschluss vieler freigeistiger und freireligiöser Organisationen gegründet hat, nennt seine bundesweit durchgeführten Veranstaltungen seit den späten 1980er Jahren JugendFEIERn. Wir wollen Jugendliche nicht weihen, sondern ihnen den symbolischen Schritt ins Erwachsenenleben unvergesslich machen.

Nach wie vor ist die JugendFEIER ein wichtiger und fester Bestandteil der Feierkultur unseres Verbandes und zentrales weltanschauliches Fest. Auch heute sind die halbjährige Vorbereitungszeit und die Festveranstaltung im Friedrichstadt-Palast eng miteinander verbunden. Das breit gefächerte Vorbereitungsprogramm soll Jugendliche in einer Zeit des persönlichen Umbruchs bewusst auf ihr Erwachsenwerden aufmerksam machen und helfen, sich bei der Suche nach Identität,  in der Skepsis gegenüber Erwachsenen und Eltern, bei Ängsten und Konflikten zu orientieren. Es ist aber auch eine Zeit der positiven Grundstimmung. Diesen Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden selbst zu gestalten, sich umzuschauen, zu träumen, neugierig zu sein und zu experimentieren: Wer bin ich, wie will ich sein, wo liegen meine Stärken und Talente und wo könnte mein Platz in dieser Gesellschaft sein.

Die JugendFEIER steht mit ihren vielfältigen Vorbereitungsangeboten und einer unvergesslichen Festveranstaltung für die Vermittlung humanistischer Werte – tolerant, selbstbestimmt und verantwortungsbewusst zu denken.