von Christine Höink
Der Humanistische Gesprächskreis traf sich am 18. Mai zu seiner 2. Veranstaltung in der Buchhandlung mondo mit dem Ziel, sich mit der für die humanistische Weltanschauung charakteristischen "Dieseits –Zuwendung" näher zu beschäftigen. Eingeladen hatten der HVD und die Buchhandlung mondo dazu den Philosophen Prof. Dr. Ansgar Beckermann, der den zahlreichen Gesprächsteilnehmern aus der Sicht der analytischen Philosophie in einem einführenden Referat Informationen und "Denkwege" in die komplexe Problematik eröffnen konnte. Dazu stellte er drei Thesen vor, die nach seiner Meinung geeignet sind, ein naturalistisch orientiertes Weltbild in seinen charakteristischen Ausformungen abzubilden:
These 1: Es gibt weder Götter noch Geister noch andere übernatürliche Wesen oder Mächte.
Wesentliche Begründung für diese Annahme ist die Tatsache, dass Menschen in vorwissenschaftlichen, mythischen Weltbildern fast alle Phänomene auf das intentionale Handeln mehr oder minder personaler übernatürlicher Wesen und Mächte zurückführen, was als Hilfe und Unterstützung in einem ungesicherten Lebensumfeld wahrgenommen und durch Gebete, Opfer und dergl. gepflegt und gelebt wird. Naturalistisch- wissenschaftliche Welterkenntnis verfügt über andere Erklärungsmodelle und kann in mythisch basierten Verhaltensformen keine objektiv wahrnehmbaren Erfolge erkennen (z.B. Heilungen, Gebetserhörungen).
These 2: Es gibt weder eine Seele noch einen besonderen Personenkern namens "Ich":
Vor dem Hintergrund der – allerdings noch lückenhaften - neuronalen Erkenntnisse ist Herr Beckermann überzeugt, dass keine immaterielle Substanz in der Lage ist, den materiellen Körper kausal zu beeinflussen. Er sieht für derartige Annahmen keine guten empirischen Gründe, stattdessen aber Widersprüche und eine Unzahl unlösbarer Rätsel. Menschen sind Produkte der Evolution. Alles, was sie zu Menschen macht, hat eine biologische Grundlage.
These 3: All dies bedeutet nicht, dass wir niemals wirklich selbst absichtlich handeln und dass wir niemals für unser Tun verantwortlich sind.
In der gegenwärtigen Debatte um die menschliche Willensfreiheit wird auf Seiten der Naturwissenschaften eher die theoretische Sichtweise vertreten, dass die Welt - und damit auch das menschliche Verhalten - ein kausaler Zusammenhang von Ereignissen ist, die allgemeinen Naturgesetzen unterworfen sind. Aus der Sicht der Philosophie wird dagegen eher eine an den Erfahrungen des Alltags orientierte praktische Sichtweise betont, die den Menschen als eine begründet handelnde Person wahrnimmt und ihm damit auch Willensfreiheit zugesteht. Während diese Positionen i. d. R. als unvereinbar wahrgenommen werden, zeigte sich Herr Beckermann dagegen überzeugt, dass Menschen grundsätzlich über die Fähigkeit verfügen, vor dem Handeln innezuhalten und sich dann den eigenen Überlegungen gemäß zu entscheiden und zu verhalten. Auch wenn alle menschlichen Handlungen letztlich neuronal verursacht sind, ist es für ihn also durchaus möglich, dass Handlungen frei sein können und demnach auch verantwortet werden müssen.
Für die humanistische Weltsicht folgt - nach Beckermann – daraus die Konzentration auf ein selbst zu gestaltendes und auch selbst zu verantwortendes Leben im Diesseits mit der Anforderung , diese Welt "ohne Hilfe von oben" zu einem besseren Ort zu machen, an dem alle über gleiche Rechte verfügen. Die für den säkular orientierten Humanismus bedeutsamen Werte wie Menschenrechte, Frieden ,Toleranz u.a. können auch aus einem naturalistischen Weltbild ohne Gottesbezug abgeleitet werden - auch wenn dies nicht in jedem Fall leicht ist.
In der anschließenden regen Diskussion mit den Gästen wurden diese Thesen und Ansichten intensiv, punktuell auch kontrovers beleuchtet und konkretisiert. Wert legte Herr Beckermann insbesondere noch auf die Tatsache, dass ein naturalistisch - humanistisches Weltbild zwar diesseitig orientiert ist, die Ausformung metaphysisch orientierter Glaubenssysteme aber nicht grundsätzlich abzulehnen sind, da sie in Abhängigkeit vom jeweiligen Lebensumfeld Menschen Hilfe und Unterstützung bedeuten können. "Aber", so seine Überzeugung, " jeder kann glauben, was er glauben will, aber das impliziert dennoch mein Recht zur Kritik und Nachfrage. Nicht alle Annahmen und Meinungen müssen grundsätzlich den gleichen Wert haben."