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  • "Liebe Stadt Revolte": Das kraftvolle Motto für die Eröffnung und das Humanistische Festival in der Potsdamer Straße.
    Foto: Konstantin Börner"Liebe Stadt Revolte": Das kraftvolle Motto für die Eröffnung und das Humanistische Festival in der Potsdamer Straße.

Wie die Häuser des HUMANISMUS unsere Weltanschauung erlebbar machen

Eine Reportage von TOBIAS EẞER  

Am 21. Juni 2022 wurde das Haus des HUMANISMUS in der Potsdamer Straße eröffnet – und zwar mit einem Knall: Das 1. Humanistische Festival sollte nicht nur den Mitgliedern des Verbandes, sondern auch den Menschen in Südberlin zeigen, dass der Humanismus nun auch in ihrer Nachbarschaft angekommen ist. Gleichzeitig sollte das Festival eine große Party werden, um die Eröffnung des Begegnungsortes zu feiern.

Kurz vor dem Festival ging dann für LUISE SCHIRMER, die Verantwortliche des Projekts, ziemlich viel schief. Der Antrag auf eine Sondergenehmigung zur Nutzung des Bürgersteigs vor dem Haus des HUMANISMUS ging wenige Tage vor dem Eröffnungsfest verloren und musste eilig nachgereicht werden. "Am Tag vor dem großen Feststellte sich dann heraus, dass wir keinen Kühlschrank geliefert bekommen hatten", erklärt Schirmer im Rückblick. "Außerdem war noch Fête de la Musique in Berlin. Und mit dem Ende der Pandemiemaßnahmen gab es kaum Servicekräfte, die wir hätten buchen können."

Große Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft 

"Dann gab es allerdings unglaublich viele Menschen aus der Nachbarschaft, die uns kurzfristig geholfen haben", erzählt Luise Schirmer. "Einen Kühlschrank haben wir spontan bei der Bar gegenüber dem Haus des HUMANISMUS ausleihen können. Da ist dann noch eine Kollegin mit dem Akkuschrauber rübergegangen und hat den Kühlschrank abgebaut", erzählt sie.

Ein weiteres Problem sei die Buchung von Servicekräften gewesen. "Ich war eine Woche vor dem Fest komplett verzweifelt", berichtet Luise Schirmer. "Alle Caterer waren ausgebucht." Sie habe dann einer Nachbarin, die in der Nähe des Hauses wohnt, ihr Leid geklagt. "Die meinte nur zu mir: ‚Ich mach total oft Service, ich kann dir eine ganze Vormittagsschicht zusammenstellen‘."

Auch als es um den Eilantrag zur Nutzung des Bürgersteigs vor dem Haus des HUMANISMUS in der Potsdamer Straße ging, konnten die Organisator*innen auf externe Hilfe vertrauen: "In letzter Sekunde hat sich der Bezirksbeamte nochmal mit uns hingesetzt, damit wir doch noch die Genehmigung zur Nutzung bekommen."

"Liebe Stadt Revolte" 

Mit so viel Hilfe und Solidarität konnte das Festival also steigen. Es war die erste Großveranstaltung, die der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg nach der Coronapandemie ausrichtete. Dementsprechend viele Menschen wollten dabei sein. Mehr als 300 Personen folgten der Einladung in die Potsdamer Straße.

Das Motto des Festivals, "Liebe Stadt Revolte", nahm Bezug auf die Vergangenheit des Hauses des HUMANISMUS als besetztes Haus. Ein Highlight war dabei der Auftritt Seyda Kurts, Autorin des Buches "Radikale Zärtlichkeit".

Am Ende des langen Tages werteten die Organisator*innen das Festival des Humanismus als vollen Erfolg. Und das nicht nur wegen der organisatorischen, sondern auch wegen der baulichen Schwierigkeiten im Vorfeld: "Bei uns war ja alles noch eine Baustelle im Haus", lacht Schirmer. "Im hinteren Raum lag noch kein Boden, außerdem hatten wir keine Lichtschalter!" Letztlich hieß es aber doch: "Ende gut, alles gut."

Ein Ort als weltanschauliche Heimat? 

Warum aber braucht der Verband überhaupt Einrichtungen wie die Häuser des HUMANISMUS? "Es ist eine weltanschauliche Heimat für unsere Mitglieder und unseren Freund*innenkreis", erklärt CHRISTIAN LISKER, Referent für praktischen Humanismus beim Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg.

"Unsere Idee von gelebtem Humanismus in unserem Verband ist, dass er Menschen in nahezu allen Lebenslagen begleiten möchte." Zwar gebe es schon Kindertagesstätten, Beratungsstellen und andere Einrichtungen – im Haus des HUMANISMUS in der Potsdamer Straße werde allerdings die Weltanschauung an sich stärker in den Vordergrund gestellt. "Es geht hier auch um Veranstaltungen, bei denen wir uns konkret fragen, was Humanismus eigentlich bedeutet", sagt Lisker. Dort könne der Verband sowohl praktisch leben als auch philosophisch darüber nachdenken, "wie Zusammenleben gestaltet werden kann, was es im Verband für Ideen gibt und wie die praktische Lebensgestaltung im Kontext des Humanismus aussehen kann", führt er weiter aus.

Viele Fragen spielten demnach bei Veranstaltungen im Haus des HUMANISMUS in der Potsdamer Straße eine wichtige Rolle. "Da geht es auch um Herausforderungen in der ganz realen Welt", sagt Lisker. "Wie finde ich Kraft und Halt in der heutigen Zeit? Was gibt mir Sinn?" – alle diese Fragen können auf Veranstaltungen im Haus des HUMANISMUS bedacht und diskutiert werden. Außerdem gebe es körperorientierte Angebote wie Yoga und es sollen perspektivisch weitere Formate entwickelt werden, die im Leben Halt und Struktur geben können, wie etwa Trauerbegleitung.

Beratung und Unterstützung für verschiedene Bereiche der Lebensgestaltung stehenin der Leipziger Straße im Mittelpunkt.
Foto: Laurina Pettke Beratung und Unterstützung für verschiedene Bereiche der Lebensgestaltung stehenin der Leipziger Straße im Mittelpunkt.

Praktische Lebensbegleitung als wichtiges Anliegen

Konkretere Fragen zum Themenkomplex der Lebensberatung beantwortet das Haus des HUMANISMUS in der Leipziger Straße, das am 31. August 2022 eröffnet wurde. Dort geht es unter anderem um Beratungen zur selbstbestimmten Lebensgestaltung, Patientenverfügungen und Altersvorsorge. Die Unterstützung im Haus des HUMANISMUS in der Leipziger Straße ist vielseitig und basiert auf dem Credo "Von der Wiege bis zur Bahre". Beratungen gibt es zur Erstellung wichtiger Dokumente, zur Nachlassvorsorge und im Trauerfall.

"Da uns die Lebensbegleitung ein zentrales Anliegen ist, wollen wir auch in der Praxis für die Menschen da sein", erläutert Christian Lisker die Relevanz des Hauses des HUMANISMUS für den Verband. "So können wir etwa mit Angeboten von Lebensfeiern an Übergangsstellen des Lebens helfen, diese mit Sinn und Bedeutung zu versehen." Der neue Ort in der Leipziger Straße lädt nun dazu ein, sich zu diesen Angeboten zu informieren.

Im Haus des HUMANISMUS in der Potsdamer Straße hat sich seit der Eröffnung ein abwechslungsreiches Angebot entwickelt, erzählt Luise Schirmer. Immer noch gebe es montags ein Yoga-Angebot – aber mittlerweile eben auch viel mehr. "Unsere Humanistische Akademie veranstaltet ihren Humanistischen Filmclub in unserem Haus, genau- so wie den Humanistischen Lesekreis." Außerdem würden zahlreiche Anfragen zur Miete der Räumlichkeiten aus anderen Bereichen der Organisation eintrudeln. "Die Humanistischen Hospize haben den Raum viel genutzt, aber auch der Verband selbst für Abteilungs- oder Leitungssitzungen", sagt Luise Schirmer. 

Gemeinsam mit den Menschen vor Ort wirken 

Doch auch Menschen, die nicht zum Verband gehören, können im Haus des HUMANISMUS in der Potsdamer Straße aktiv werden. Ein Nachbar habe die Initiative "Lern- und Gedenkort Bücherverbrennung" gegründet. Das sei eine Sache gewesen, die Schirmer und ihr Team "total unterstützenswert" fanden. Und so konnte die junge Initiative ihre erste Veranstaltung im Haus des HUMANISMUS abhalten. "Zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung fand dann eine weitere Veranstaltung des Nachbarn hier statt", erklärt Schirmer. Sie findet es gut, dass auch Externe ins Haus des HUMANISMUS kommen können. "Das hilft uns bei der Vernetzung mit der Nachbarschaft."

Grundsätzlich sei es wichtig für das Haus, innerhalb der Nachbarschaft vernetzt zu sein. "Wir gehören jetzt auch schon zum Netzwerk der Religionsgemeinschaften in Nord-Schöneberg", erklärt Luise Schirmer – und fügt lachend hinzu: "Aber wir diskutieren mit denen schon die Umbenennung in ‚Netzwerk der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften‘."

"Dabei hat das Haus des HUMANISMUS eigentlich viel mit einem klassischen Gemeindehaus gemeinsam", sagt Schirmer. Zum Beispiel hat der Verband im Jahr 2023 einen Stammtisch an der Potsdamer Straße ins Leben gerufen. Die Lage im Süden Berlins habe allerdings auch ihre Nachteile. "Schwierig ist es immer, unsere Aktiven aus dem Seniorenbüro hierher zu bekommen", erklärt Schirmer lachend. "Aber dafür ist das Haus in der Leipziger Straße super, denn viele von ihnen wohnen ja in Berlin-Mitte." Dort fänden mittlerweile auch einige Veranstaltungen statt, denn sowohl Jugend- als auch Senior*innenarbeit sei sehr ortsbezogen.

In Zukunft sollen die Häuser des HUMANISMUS ein möglichst ganzheitliches Angebot für die Menschen in den unterschiedlichen Kiezen bereithalten. "Neben den Angeboten in der Potsdamer Straße sind einige Tage der offenen Tür für Senior*innen in der Leipziger Straße geplant", erklärt Luise Schirmer. Sie wird den Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg bald verlassen, doch noch eine für sie wichtige Sache anstoßen: "Ich bin gerade dabei, eine Stelle für das Freiwillige Soziale Jahr im Bereich Kultur aufzubauen", erzählt sie. Die Person, die die Stelle bekommt, soll die Arbeit in den Häusern des HUMANISMUS unterstützen. Und letzten Endes gehe es natürlich darum, noch bekannter zu werden – im Kiez und darüber hinaus: "Wir müssen jetzt erst mal in die alltägliche Arbeit kommen und eine Routine entwickeln, um – darauf aufbauend – gute humanistische Arbeit in den Kiezen leisten zu können." 

Kontakt

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Christian Lisker
Referent für praktischen Humanismus
0151 10 58 50 73