Thema war der aktuelle Gesetzesentwurf des Bundesjustizministeriums zur Reform der Ersatzfreiheitsstrafe. Dieser sieht vor, dass die Ersatzfreiheitsstrafe zukünftig halbiert werden soll. Personen, die beispielsweise zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt werden und diese nicht zahlen können, müssen stattdessen ersatzweise 15 Tage ins Gefängnis. Die Veranstaltung wollte der Frage auf den Grund gehen, ob die vorgeschlagenen Veränderungen ausreichen, um die soziale Schieflage im Strafrecht zu beheben – und Alternativen zu diskutieren.
Frank Wilde, Experte für Strafrecht beim Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg, stellte einführend fest, dass der Entwurf in die richtige Richtung gehe, da er das Strafgefälle mildere. Aber er reiche nicht aus, um dem Problem gerecht zu werden – insbesondere, weil er nicht an den Ursachen ansetze: der fehlenden Verbindung zwischen der Höhe einer Geldstrafe einerseits und den wirtschaftlichen Verhältnissen der verurteilten Personen andererseits.
Im Anschluss diskutierten auf dem Podium der Buchautor und Journalist Dr. Ronen Steinke („Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“) mit der Bundesabgeordneten der FDP Frau Katrin Helling-Plahr, der Referentin der SPD-Fraktion Frau Elena Blessing (in Vertretung für MdB Sonja Eichwede), der Referentin der Linksfraktion Frau Karen Schubert (in Vertretung für MdB Clara Bünger) sowie der Kriminologin Frau Dr. Nicole Bögelein von der Universität zu Köln.
Die beste unter den schlechten Lösungen?
Frau Helling-Plahr (FDP) und Frau Blessing (SPD) verteidigten den Entwurf. Solange es keine Alternative zur Ersatzfreiheitsstrafe gebe, sei sie die beste unter den schlechten Lösungen. Eine Straffreiheit für arme Personen im Bereich der Geldstrafe sei nicht akzeptabel und auch gesellschaftlich nicht zu vermitteln. Sie plädierten dafür, das Verfahren so zu gestalten, dass möglichst niemand durchs Raster falle.
Karen Schubert forderte hingegen die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe. Sofern Personen dauerhaft zahlungsunfähig seien, müsse der Staat am Ende auch auf eine Sanktion verzichten können. Eine Freiheitsstrafe nur für Mittellose sei keine Lösung.
Frau Dr. Bögelein verdeutlichte, dass es sich bei Betroffenen um einen Personenkreis handelt, der durch Armut, psychische Probleme, Wohnungslosigkeit und weitere Faktoren stark belastet ist. Die Inhaftierung für Bagatellstrafen wie das Fahren ohne Fahrschein oder Ladendiebstahl komme als weitere Belastung hinzu. Ihr Vorschlag: Wie in Schweden sollte die Ersatzfreiheitsstrafe bei dauerhafter Zahlungsunfähigkeit nicht vollstreckt werden.
Einig waren sich alle Beteiligten, dass Anlassdelikte wie das Erschleichen von Leistungen (§265a StGB), zu dem insbesondere das Fahren ohne Fahrschein zählt, entkriminalisiert werden müssen. Hierzu plant die Koalition im nächsten Jahr einen Entwurf.
Insgesamt bot der Abend eine interessante und kontroverse Diskussion. Der Entwurf geht jetzt ins parlamentarische Verfahren. Eine Zusammenfassung der Veranstaltung ist hier anzusehen: