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Warum haben christliche Kirchen immer noch Angst vor Humanist_innen?

"Da könnte ich genauso gut fragen, ob nicht die Kommunistische Plattform ihre Kinder befreien kann am Geburtstag von Karl Marx." So äußerte sich Christoph Lehmann vom Diözesanrat des Erzbistums Berlin in einem Beitrag des Deutschlandfunks polemisch zu der Entscheidung des Berliner Senats, den Welthumanistentag als weltanschaulichen Feiertag an Berliner Schulen anzuerkennen.

Als "Entwertung für den christlichen Glauben" empfand es Markus Dröge, Bischof der evangelischen Kirche Berlin/Brandenburg, die Gleichstellung des Humanistischen Feiertags mit denen von Christen. Insgesamt zeichnet der Radiobeitrag, der im Deutschlandfunk am 21.06. ausgestrahlt wurde, ein negatives Bild. Danach sei die Entscheidung des Berliner Senats über die Anerkennung als Feiertag vor allem Ergebnis "guter Lobbyarbeit" einer seltsamen Gruppe gewesen.

Dabei ist die Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im Grundgesetz festgeschrieben. Zudem hat sich die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. Neben den beiden großen christlichen Kirchen sind eine Vielzahl anderer Konfessionen und Nichtkonfessionen hinzugekommen. Allein in Berlin sind nach Schätzungen 50 und mehr Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften aktiv. Den größten Anteil in der Bevölkerung haben allerdings die Konfessionsfreien mit etwa 60 Prozent aller Berliner_innen. Viele dieser Menschen und darüber hinaus auch konfessionell gebundene teilen laut einer kürzlich veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts EMNID eine humanistische Lebensauffassung. Das zeigt auch die Anzahl teilnehmender Schüler_innen am Lebenskundeunterricht in Berlin – es sind über 60.000.

Es war daher ein positives und längst fälliges Signal, dass der Berliner Senat vor zwei Jahren dieser veränderten Glaubenslandschaft Rechnung getragen hat. So können sich neben Schüler_innen mit humanistischer Weltanschauung auch solche vieler anderer Religionsgemeinschaften in Berlin an ihren Feiertagen vom Schulunterricht befreien lassen.

Wir Humanist_innen haben den gestrigen Tag in Berlin auf vielfältige Weise begangen. Es gab ein großes Straßenfest, viele Lebenskundelehrer_innen führten besondere Aktionen mit ihren Schüler_innen durch und regten eine Auseinandersetzung mit humanistischen Werten an – innerhalb des Schulunterrichts wohlgemerkt.

Es ist schade, dass Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen dies als "Entwertung ihres Glaubens" ansehen. Noch ärgerlicher ist hingegen, dass die Journalistin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt sich so offen die Haltung der beiden Kirchenvertreter zu eigen macht.