Aktuell auf humanistisch.de

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    Foto: Konstantin BörnerSektempfang
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  • Unsere Mitgliederversammlung 2019
  • Unsere Mitgliederversammlung 2019
  • Der Vorstand der neu gegründeten Humanistischen Regionalkörperschaft Ostbrandenburg
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  • Vizepräsidentin Daniela Trochowski
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  • Festakt anlässlich der Verleihung der Körperschaftsrechte an unseren Verband in Brandenburg
  • Unser Präsident Jan Gabriel
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  • Verleihung der Körperschaftsrechte an die Humanistische Regionalkörperschaft Ostbrandenburg KdöR
  • "Born that way" - Die Solist_innen der Young Voices Brandenburg feiern Menschlichkeit in Vielfalt

"Wir leben in dieser Zeit und sind gemeinsam gefragt, sie zu gestalten"

"Man könnte wohl sagen, dass die lebendige Menschlichkeit eines Menschen in dem Maße abnimmt, in dem er auf das Denken verzichtet", schreibt die deutsche Philosophin Hannah Arendt in "Menschen in finsteren Zeiten".

Zweifellos leben wir derzeit nicht in "finsteren", wohl aber in turbulenten Zeiten, die uns mit all unserer lebendigen Menschlichkeit fordern. Und die - und genau das macht Arendts Zitat so zeitgemäß - verlangen, dass wir nicht auf das Denken verzichten.

Wir Humanist_innen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Kinder der Aufklärung. Wir sind die geistigen Erben und Erbinnen derer, die immer genau hingeschaut haben, die die Dinge – schon aus Prinzip – hinterfragt haben und im Faust’schen Sinne wissen wollten, was die Welt im Inneren zusammenhält.

Vor allem aber ging und geht es uns Humanistinnen und Humanisten stets um Eines: Wir verankern das Individuum in dieser Welt, begründen seine irdische Existenz und die Unantastbarkeit seiner Würde im Hier und Jetzt, im aktiven Engagement für sich und andere.

Genau das haben auch Menschen wie Rosa Luxemburg, Bertold Brecht und Walter Benjamin gemacht, die Arendt in dem genannten Band porträtiert. Gemeinsam ist allen das Zeitalter, in das ihre Lebenszeit fiel, "die Welt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihren politischen Katastrophen, moralischen Desastern und einer erstaunlichen Entwicklung von Kunst und Wissenschaft", begründet Arendt die Auswahl für ihren Porträt-Band.

Eine solche Gemeinsamkeit besteht auch zwischen uns – uns hier in diesem Raum und uns als Gesellschaft da draußen. Wir leben in dieser Zeit und sind gemeinsam gefragt, sie zu gestalten. Und mit den "moralischen Desastern" umzugehen, die uns begegnen.

 

Unsere Vizepräsidentin Daniela Trochowski.
Foto: Die Hoffotografen Unsere Vizepräsidentin Daniela Trochowski.

"Gebt mir die Freiheit, zu wissen, zu sprechen, und von allen Freiheiten die, frei meinem Gewissen gemäß zu urteilen", schrieb der englische Dichter und politische Denker John Milton, der einer der wichtigsten Vordenker der Rede- und Pressefreiheit war, vor knapp 400 Jahren.

Miltons Begehren ist heute Wirklichkeit. Wir alle verfügen über die Freiheit, zu wissen, zu sprechen und nach unserem Gewissen zu urteilen. Zugleich erleben wir, dass diese helle Freiheit auch eine dunkle Seite hat, die uns direkt in die moralischen Desaster unserer Zeit führt.

Sie liegen in der absoluten Entgrenzung des Sagbaren, die wir momentan im gesellschaftlichen Diskurs, auf der Straße und in den Kommentarspalten der Sozialen Medien erleben. Was sich dort vollzieht, meine sehr verehrten Damen und Herren, entbehrt mitunter jeder Menschlichkeit.

Um zu verstehen, was dort passiert, hilft uns erneut Arendt. In ihrem Essay "Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft" schreibt sie, dass die idealen Subjekte autoritärer Kräfte nicht deren überzeugte Anhänger sind, sondern Menschen, die unfähig sind, "Tatsachen als Tatsachen zu verstehen und Wahrheit von Lüge zu unterscheiden" und "die sich auf ihre Erfahrungen nicht mehr verlassen wollen, weil sie sich mit ihnen in der Welt nicht mehr zurechtfinden."

Dieses "sich nicht mehr zurechtfinden" wird in unserer Gegenwart von jenen Ideologen ausgenutzt, die gegen Emanzipation, Menschenrechte und Wissenschaft wettern, die Fakten als Fake verteufeln und Verschwörungstheorien zur Wirklichkeit erklären.

Die Komplexität der Welt, aber auch soziale Spaltung und Verteilungskämpfe machen Menschen anfällig für autoritäre und rechte Propaganda, wie sie sich heute leider etabliert hat. Dazu kommt ein erschreckendes Ausmaß an Desinteresse und Empathielosigkeit, derer sich rechte Demagogen bedienen.

Bitte sehen Sie mir nach, hier in dieser Grundsätzlichkeit zu reden, aber dass in mehreren Bundesländern – auch hier in Brandenburg – eine rechtsextreme Partei fast jede vierte Stimme der Wähler_innen bekommen hat, frustriert und erschreckt mich gleichermaßen.

Dass diese Partei das hohe demokratische Gut der Rede- und Meinungsfreiheit in Geiselhaft nimmt, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Und wer immer noch meint, dass Worte Worte und keine Taten sind, der ignoriert die fast 200 Morde, die seit 1990 von Rechtsradikalen verübt worden, die NSU-Mordserie, den Mord an Walter Lübcke und die schrecklichen Ereignisse von Halle.

Als Humanist_innen sagen wir ganz klar: Hetze ist keine Meinung, sondern Hetze. Rassismus ist keine Meinung, sondern Rassismus. Wer darüber hinwegschweigt, der stimmt zu.

Festakt anlässlich der Verleihung der Körperschaftsrechte an unseren Verband in Brandenburg.
Foto: Konstantin Börner Festakt anlässlich der Verleihung der Körperschaftsrechte an unseren Verband in Brandenburg.

Und hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir Humanist_innen ins Spiel. Als Teil einer demokratischen Gesellschaft verstehen wir es als unsere Aufgabe, möglichst viele Menschen mit den Werten der Aufklärung und des Humanismus in Kontakt zu bringen. Offenbar hat sich der Gedanke, dass alle Menschen zwar nicht gleichartig, aber doch auf jeden Fall gleichwertig sind, noch nicht im ausreichenden Maße in den Köpfen und Herzen der Menschen verankert.

Es ist oftmals davon die Rede, dass wir in einer Zeit des Werteverfalls leben. Ich glaube, dass dies trotz des gerade beschriebenen Phänomens nicht der Fall ist. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir uns als Gesellschaft keinen Gefallen tun, den Wertediskurs einzig und allein den Religionsgemeinschaften zu überlassen.

Von deren Seite kommt immer wieder das Signal, dass Gottgläubigkeit Voraussetzung für ein wertebasiertes Zusammenleben ist. In einem Land wie Brandenburg, in dem vier von fünf Menschen nicht religiös sind, treibt man mit solchen Aussagen die Menschen in ein Werteexil. Man unterstellt diesen Menschen subtil, dass sie keine Werte haben. Und das im schlimmsten Fall so lange, bis sie selbst daran glauben, und den Fuß über die eigene moralische Hemmschwelle setzen.

Das dürfen wir nicht zulassen. Wir können es uns weder leisten, dass sich Menschen enttäuscht zurückziehen, noch dass sie frustriert die Ränge derer füllen, die Freiheit, Offenheit, aber auch ein solidarisches Miteinander tagtäglich angreifen. Die meisten unserer Mitmenschen haben Werte, was ihnen fehlt, ist eine Gemeinschaft, in der sie diese leben können.

Wir Humanist_innen bieten diese Gemeinschaft. Schon jetzt nehmen tausende Familien jedes Jahr an unseren JugendFEIERn teil, um ihre Kinder bewusst in die Welt der Erwachsenen zu begleiten. Immer mehr Menschen fragen unsere Humanistischen Namens- und Hochzeitsfeiern nach oder wollen sich in einer weltlichen Zeremonie bestatten lassen. Diese Angebote wollen wir in den kommenden Jahren ausbauen.

Unser Ziel ist es, künftig auch in den Parteien, zivilgesellschaftlichen Gremien, in Vereinen und Organisationen sichtbarer zu werden. Um deutlich zu machen, dass es Normen und Werte gibt, die es sich als Mensch zu verteidigen lohnt.

Es braucht keinen Gott, um sich für die Würde des Menschen stark zu machen. Dafür braucht es nur Vernunft und Menschlichkeit.

Humanist_innen in Brandenburg tragen vielseitig zum Erhalt des friedlichen Miteinanders bei. Sie gehen gegen rechte Demagogen auf die Straße und machen täglich sichtbar, dass Brandenburg bunt, vielfältig und tolerant ist.

Die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch das Land Brandenburg ist einerseits eine logische Konsequenz unseres Wirkens. Gleichzeitig gibt sie uns Humanist_innen Sicherheit und Stärke, auch weiterhin entschlossen und nachdrücklich die Werte des Grundgesetzes zu verteidigen.

Aber sie hat auch einen Wert für Brandenburg selbst: Wir sind dabei, wenn es um ein tolerantes Brandenburg geht, wir arbeiten gegen die soziale Kälte an und setzen uns für von Armut und Diskriminierung betroffene Menschen ein. Wir schaffen Anlässe zu Debatte und Austausch, stärken Kinder und Jugendliche in ihrem Alltag und unterstützen und ermutigen Menschen dabei, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Das historische Ereignis haben wir im BlauArt Tagungshaus in Potsdam gefeiert.
Foto: Konstantin Börner Das historische Ereignis haben wir im BlauArt Tagungshaus in Potsdam gefeiert.

Als Körperschaft wollen wir künftig auch Neues entwickeln und unser Engagement noch stärker an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten. Viel wurde für die Menschen in den ländlichen Regionen getan, dennoch gibt es Versorgungslücken. Wir wollen deshalb eine mobile Vorsorgeberatung ins Leben rufen und die Menschen dort unterstützen, wo sie sind.

Diese aufsuchende Arbeit ist in Zeiten, in denen Menschen vereinsamen, sich zurückziehen oder sich nicht gehört fühlen, von immenser Bedeutung.

Wir HumanistInnen wollen mit ihnen über ihre Sorgen und Nöte sprechen, sie bei der Lösung der täglichen Herausforderungen unterstützen und sie von der Idee einer offenen und solidarischen Gesellschaft überzeugen.

Dafür müssen wir die Räume der Fantasie zurückerobern. "Die Menschenrechte, die Demokratie, der Humanismus sind die wichtigsten Errungenschaften der Welt. Sie schlecht zu erzählen, macht uns schon zu Lügnern", sagte der Künstler und Aktivist Philipp Ruch kürzlich in einem Interview. Wir brauchen also eine positive Erzählung für unsere Gesellschaft, aber auch für eine positive Perspektive.

Unsere Aufgabe ist es, eine solche Erzählung auf den Weg zu bringen. Wir Humanist_innen haben es uns ganz oben auf die Fahne geschrieben, dazu unseren Beitrag zu leisten.

Ich weiß nicht, ob wir diesen Kampf um die beste Erzählung gewinnen werden. Klar ist aber, dass wir ihn nicht aufgeben und kämpfen. Nicht nur in Berlin, sondern auch hier in Brandenburg. Um die "lebendige Menschlichkeit eines jeden Menschen", von der Hannah Arendt spricht, zur vollen Entfaltung bringen zu können.

Es gilt das gesprochene Wort.