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  • Die Bedarfe unserer Projekte – wie die der Schwangerschaftskonfliktberatung – sind komplex und anspruchsvoll, ihre Finanzierung auch.
    Foto: Konstantin BörnerDie Bedarfe unserer Projekte – wie die der Schwangerschaftskonfliktberatung – sind komplex und anspruchsvoll, ihre Finanzierung auch.

Zuwendungsprojekte und ihre Finanzierung: Wenn das Geld vorne und hinten nicht reicht

Rund 20 Projekte des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg sind zuwendungsfinanziert. Diese Form der Finanzierung ist problematisch, denn das starre System deckt nur selten die wahren Kosten. Wir haben mit DAVID DRIESE, Vorstand beim Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg, zu der Thematik gesprochen.

Das Interview führte DOMINIK DRIEEN

In der Humanistischen Schwangerschaftskonfliktberatung finden Frauen und Familien Hilfe. Mit viel Herz beraten und begleiten die Mitarbeiterinnen Menschen, die sich nicht selten in einer schwierigen Lage befinden. Egal, ob es um die Pflichtberatung bei Schwangerschaftsabbrüchen, psychologische und psychosoziale Beratung, sexualpädagogische Aufklärung oder ganz praktische Hilfe wie eine Tauschbörse für Umstandskleidung geht: Die Einrichtung leistet einen wichtigen Beitrag zur Daseinsvorsorge in Berlin und gibt vielen Menschen Halt. Deshalb finanziert das Land die Arbeit vor Ort über sogenannte Zuwendungen – und damit beginnen auch die Schwierigkeiten.

Herr Driese, was ist ein Zuwendungsprojekt und wie unterscheidet sich die Finanzierung von anderen Projekten?

Bei uns im Verband gibt es im Prinzip drei Arten der Geldeinnahme. Das einfachste sind freiwirtschaftliche Mittel. Nehmen wir das Beispiel der JugendFEIER: Hier zahlen die Familien eine Gebühr und wir müssen mit den Mitteln wirtschaften. Das zweite sind sogenannte Leistungsentgelte. Wir erbringen eine Leistung und der Geldgeber, zum Beispiel der Senat oder ein Bezirk, bezahlt uns für diese Leistung. Das wird vorher verhandelt und dann wird es ausgezahlt.

Die letzte Art der Finanzierung ist die Zuwendung. Hier ist klar definiert, welche Leistung erbracht werden muss, auch mit welchen Mitteln in welcher Kostenart. Sach- und Personalmittel sind also klar definiert. Das muss zu Beginn eines Jahres mit einem Finanzplan ganz klar dargelegt werden und dann muss man mit diesen Mitteln die Leistung erbringen. Veränderungen am Finanzplan, insbesondere wenn sie einen Aufwuchs der Mittel zur Folge haben, sind nahezu ausgeschlossen.

Das klingt eigentlich ganz logisch. Wieso treten hier Schwierigkeiten auf?

Bei den Zuwendungsprojekten ist zum einen problematisch, dass sie am Ende eines Finanzierungszeitraumes, in der Regel zum Ende des Jahres, eine neutrale Bilanz vorweisen müssen, also alle Mittel ausgegeben und keine Mittel zurückgehalten haben. Letztlich bedeutet das aber auch, dass defizitäre Projekte, dort also wo mehr ausgegeben als finanziert wurde, vom Träger, also in diesem Fall uns, aus Eigenmitteln gegenfinanziert werden.

Das ist natürlich eine schwierige Ausgangslage, denn wenn der Zuwendungsgeber Sachmittel anders definiert als wir das tun, bringt uns das in eine Bredouille. Wir haben z. B. bei der Einstellung eines_einer neuen Mitarbeiter_in operative und personelle Kosten für die Ausschreibung der Stelle, die Ausarbeitung eines Arbeitsvertrages, die Einrichtung eines dienstlichen IT-Accounts und vieles mehr. Auch der Bürokratieaufwand ist in diesen Projekten sehr hoch: Jede Anschaffung, bis hin zum Bleistift, muss mit Belegen dokumentiert werden. Als großer Verband mit einer zentralen Dienstleistungsstruktur ist es aber nahezu unmöglich, die Verwaltungskosten, z. B. für IT, der Öffentlichkeitsarbeit oder beim Vorstand, herunterzubrechen und detailliert zu benennen.

Machen wir es hier mal konkret: Ein Projekt erhält eine Zuwendung des Senats über 10.000 Euro. Davon veranschlagen wir rund 650 Euro als Umlage für die allgemeinen Verwaltungskosten des Verbandes. Nun möchte der Senat auf den Cent genau wissen, wie viel der 650 Euro für die Miete der Landesgeschäftsstelle als Ort der zentralen Dienstleistungen verwendet wird. Genauso müssen wir aufschlüsseln, welche Personalkosten z. B. in der Lohnbuchhaltung für das einzelne Projekt anfallen. Das ist nicht nur kaum zu berechnen, sondern verursacht auch einen unfassbar hohen Aufwand.

Auch die Höhe der gezahlten Verwaltungspauschalen ist bei weitem nicht ausreichend. Dadurch ist beispielsweise das Bilden von Rücklagen unmöglich, die wir aber dringend benötigen, um Finanzierungslücken durch kurzfristig steigenden Aufwand ausgleichen zu können.

Ein weiteres Problem sind Lohnanpassungen. Tarifaufwuchsmittel und Sonderzahlungen wurden zwar vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, finden sich aber nur selten in den Zuwendungsbescheiden wieder. So wird die Lücke zwischen der Finanzierung durch die Zuwendung und den real entstehenden Kosten noch größer.

Und auch die Bürokratie macht uns zu schaffen: Wie erwähnt, sind nachträgliche Änderungen am Finanzplan kaum möglich. In vielen Fällen ändern sich die Rahmenbedingungen eines Projektes aber kurzfristig, z. B. weil der Beratungsbedarf zu einem bestimmten Thema aufgrund externer Faktoren steigt. Die aktuell stark anziehenden Energiekosten sind so ein Beispiel. Die extrem kleinteiligen und einengenden Regelungen in Berlin verhindern, dass wir hier reagieren können. Wenn wir also in diesen Fällen für die Menschen da sein möchten, müssen wir die Kosten dafür im Zweifel selbst tragen.

Ebenfalls problematisch ist, dass die Geldgeber in Berlin mittlerweile auch fachlich sehr stark Einfluss nehmen, also vorgeben, wie die Projekte umgesetzt werden sollen. Uns stellt sich hier die Frage, wie unsere Aufgabe eigentlich aussieht. Als reine externe Umsetzer_innen der konkreten Ideen der Zuwendungsgeber braucht es uns nicht. Hier ist schlicht das Gleichgewicht durcheinandergeraten – zwischen uns als Fachexpert_innen und den staatlichen Stellen, die einen Partner benötigen.

Insgesamt befinden wir uns hier also einerseits in einem sehr engen Korsett, das flexible Anpassung entlang der Bedarfe nicht erlaubt und zudem einen hohen bürokratischen Aufwand verursacht. Andererseits wird dieser Aufwand nicht umfänglich gegenfinanziert. In der Konsequenz bedeutet das, dass wir unsere Zuwendungsprojekte aktuell mit 250.000 bis 300.000 Euro Eigenmitteln stützen, damit wir sie umsetzen können.

Die Probleme, die durch die Form der Finanzierung dieser Projekte entstehen, sind also vielfältig. Und betroffen sind im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg nicht nur die Humanistische Schwangerschaftskonfliktberatung, sondern viele weitere Projekte: Nahezu alle unserer Jugendfreizeiteinrichtungen, eine Vielzahl der Beratungsstellen für verschiedenste Gruppen und alle Familienzentren werden auf diese Weise finanziert.

Herr Driese, wie viele der Projekte betrifft das Problem der Zuwendungsfinanzierung? Und was bedeutet das im Gesamtkontext des Verbandes?

Rund 20 unserer Projekte sind zuwendungsfinanziert – also ein durchaus beträchtlicher Teil unseres Angebotes. Wenn wir die Umsatzgröße des Verbandes dagegensetzen, dann handelt es sich um rund 7 % unseres Gesamtumsatzes. Gleichzeitig sind diese Projekte aber jene, die in unseren Zentralen Diensten den größten Aufwand verursachen. Das ist eine gefährliche Schieflage, wenn ein so kleiner Anteil des Umsatzes die meiste Arbeit macht.

Wäre es dann nicht wirtschaftlich sinnvoll, diese Projekte einfach abzustoßen?

Wirtschaftlich wäre das sicher der richtige Weg. Wir sind aber kein privatwirtschaftliches Unternehmen, sondern ein Weltanschauungsverband. Wir tragen Verantwortung und sehen es als unsere Aufgabe an, Angebote dieser Art vorzuhalten. Unser Weg ist deshalb der, uns dafür einzusetzen, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern. Denn wir müssen uns klarmachen, wie wichtig die Angebote für so viele Menschen in Berlin sind. Man stelle sich vor, wir würden hier das Handtuch werfen: Es würde eine große Versorgungslücke entstehen. Gleichzeitig ist der jetzige Zustand für uns auf Dauer auch nicht durchzuhalten.

Der Verband befindet sich entsprechend in einer Zwickmühle: Während die Projekte nicht ausfinanziert und damit defizitär sind, sollen sie gleichzeitig nicht aufgegeben werden, um die Daseinsvorsorge in Berlin und die Menschen, mit denen die Projekte arbeiten, nicht zu gefährden. Gemeinsam mit der Politik und den Verwaltungen müssen Lösungen gefunden werden.

Herr Driese, wie möchten Sie dieser komplexen Gemengelage begegnen? Haben Sie einen Plan, wie das Problem gelöst werden kann?

Es gibt eine große Zahl an Trägern, deren Arbeit zu einem entscheidenden Teil durch Zuwendungen finanziert wird. Einige von ihnen drohen damit, all diese Projekte abzustoßen. Der Gedanke dahinter ist klar: Es kann nicht sein, dass wir als freie Träger im sozialen Bereich das Land Berlin subventionieren. Wenn das Land Projekte für sinnvoll erachtet, dann müssen diese auch ausfinanziert und vor allem unbürokratisch zu verwalten sein. Deshalb initiieren wir gerade mit anderen Trägern ein Bündnis, um gemeinsam konkrete Forderungen zu stellen. Zum einen ist das eine Verwaltungskostenpauschale in Höhe von 12 % der Projektkosten. Diese Pauschale führt dazu, dass alle beteiligten Parteien ihren Aufwand bei der Abrechnung der Projekte erheblich minimieren. Zum anderen wollen wir einen gemeinen Paritätischen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften verhandeln, der dann vom Land anerkannt wird. Somit entfallen unsere stetigen Diskussionen mit den Zuwendungsgebern, ob unsere Löhne zu gut oder zu schlecht sind.

Nun müssen alle Akteure an einen Tisch und gemeinsam besprechen, wie eine gute Lösung aussehen kann.

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Dominik Drießen
Bereichsleitung Öffentlichkeitsarbeit & Mediengestaltung
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