Im Jahr 2019 machte sich der Humanistische Regionalverband Ostbrandenburg als erster der Regionalverbände in Brandenburg auf den Weg, eine Regionalkörperschaft des Landesverbandes zu werden. Im Gespräch erzählen JULIA HAMMER und PETER MEIXNER, damals beide im ehrenamtlichen Vorstand des Regionalverbandes, wie sie den Prozess wahrgenommen haben – und welche Vorteile sie für ihren Verband sehen.
"Ihr müsst euch eine neue Satzung schreiben, die die Mitgliederversammlung beschließen muss. Das müsst ihr dann noch dem Amtsgericht melden und alles ist gut", erzählt Peter Meixner grinsend. So sei der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg an den Regionalverband Ostbrandenburg herangetreten, um die Humanist_innen vor Ort zu einem Wechsel der Rechtsform zu motivieren – hin zur Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Beide Seiten stellten schnell fest, dass der Weg der Körperschaftswerdung für den kleinen Regionalverband doch nicht so schnell und einfach sein würde. Die Humanist_innen aus Ostbrandenburg sind ihn im Jahr 2019 trotzdem gegangen – was dazu führte, dass die ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder deutlich mehr Zeit als sonst in den Verband investierten. So wie Peter Meixner und Julia Hammer. Meixner gehört mittlerweile nicht mehr zum Vorstand in Ostbrandenburg, hat den Prozess der Körperschaftswerdung allerdings intensiv begleitet. Julia Hammer war damals schon eingebunden, heute ist sie die Vorstandsvorsitzende.
"Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg ist damals auf uns zugekommen, weil Ostbrandenburg jetzt nicht der größte Regionalverband von allen ist. Deshalb bot es sich an, uns als Pilotprojekt aufzunehmen", erzählt Hammer. Peter Meixner ergänzt: "Wir wären ja als Regionalverband nie auf die Idee gekommen, selbst einen Antrag bei der Landesregierung zu stellen, um uns diese Rechte verleihen zu lassen. Dafür wären wir auch viel zu klein gewesen."
Bindung an den Landesverband bringt Sicherheit
Dabei sei nicht von vornherein klar gewesen, ob der Regionalverband diesen Weg überhaupt gehen will: "Wir haben uns gefragt, ob wir nicht an Bedeutung und Eigenständigkeit verlieren, wenn wir das Angebot des Landesverbanden annehmen", erzählt Peter Meixner. "Aber wir haben festgestellt, dass die Vorteile überwiegen. Wir wollten natürlich die ganzen nervigen Verwaltungstätigkeiten loswerden. Nur so konnten wir vor Ort das machen, worum es uns als Ehrenamtliche geht: nämlich einfach gute Arbeit für die Menschen zu machen und uns nicht mit Verwaltung, Buchhaltung, Abrechnung und sowas beschäftigen zu müssen."
Ein weiterer ausschlaggebender Punkt für den Regionalverband sei die Sicherheit gewesen: "Zusammen stärker zu sein, voneinander zu lernen, aber auch zusammen gewisse Lasten zu tragen", all das seien gute Argumente gewesen. Denn der Regionalverband hat eine bewegte Geschichte: Vor einigen Jahren musste er Insolvenz anmelden – für den ehrenamtlichen Vorstand ein großer Aufwand. "Diese Last wollten wir mit anderen Teilen – zum Beispiel mit einem Landesverband, in dem es viele hauptamtliche Kräfte gibt, die uns bei Bedarf unterstützen können", erinnert sich Meixner.
Zu Beginn der Körperschaftswerdung habe es allerdings viele Fragen gegeben, auf die es so schnell keine Antwort gegeben hätte. Wie soll die neue Satzung aussehen, und wie soll sie geschrieben werden? Gehören Mitglieder des Regionalverbandes direkt zu den Humanist_innen in Ostbrandenburg oder zum Landesverband? "Und dann haben wir angefangen, zu diskutieren", erinnert sich Peter Meixner. In mehreren Fragerunden habe der Vorstand versucht, die Interessen der Mitglieder zu erkennen und wahrzunehmen.
Gespräche brauchen ihre Zeit
"Diese Verhandlungen waren sehr zeitaufwändig", beschreibt Vorstandsvorsitzende Julia Hammer den Prozess. "Es gab unglaublich viele Detailfragen zu klären. Wir hatten große Themen wie Öffentlichkeitsarbeit oder Verwaltungsfragen, die wir in Verhandlungsgremien durchgesprochen und dabei Lösungen gefunden haben, mit denen alle Seiten gut leben konnten. Das waren lange und für alle Beteiligten anstrengende Termine."
Peter Meixner ergänzt: "Mit dem Zeitpunkt der Körperschaftsverleihung ging die Arbeit eigentlich erst richtig los – allerdings weniger für uns als ehrenamtlichen Vorstand, sondern vielmehr für die Leute, die operativ mit
den neuen Regeln arbeiten mussten. Auf einmal stellte sich die Frage, wie wir mit Mitgliedern umgehen wollen. Wenn der erste Mitgliedsantrag kommt, wo schicke ich den überhaupt hin? Wer trägt das jetzt in die Mitgliederdatenbank ein? Was muss man an der Datenbank tun, damit wir unsere Mitglieder anschauen und rausziehen können, aber nicht die Mitglieder vom Landesverband sehen, die uns ja nichts angehen? Diese ganzen kleinen, operativen Details fallen erst nach und nach auf."
Allerdings hat die Körperschaftswerdung dem Regionalverband Ostbrandenburg nicht nur Arbeit gemacht, sondern auch vieles erleichtert: "Gerade während der Corona-Krise haben wir als kleiner Verband gemerkt, wie eng wir mit dem Landesverband zusammengewachsen sind. Wir reden viel miteinander und teilen uns Risiken und Herausforderungen. So muss nicht jeder seine eigenen Lösungen finden, sondern kann nach größeren, gemeinsamen Lösungen suchen", weiß Meixner. Und Julia Hammer ergänzt: "Wir bekommen einfach mehr Unterstützung und haben quasi die Legitimation, beim Landesverband nachfragen zu können. Vom Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg haben wir viel Rückhalt erfahren – und so ging es auch den anderen Regionalverbänden."
Dieser Rückhalt äußert sich auch an ganz konkreten Beispielen, wie zum Beispiel bei der Frage, ob eine Kita gebaut werden soll. "Während eine solche Anfrage früher im Landesverband vielleicht einfach ignoriert worden wäre, leitet man solche Anfragen dann eben auch mal an den Regionalverband Ostbrandenburg weiter, geht gemeinsam zu Kennenlernterminen und bringt die Unterstützung aus dem Landesverband mit. Wir kriegen die Unterstützung, die wir sonst als Ehrenamtler_innen gar nicht bekommen würden", freut sich das ehemalige Vorstandsmitglied Peter Meixner.
Die Zusammenarbeit stärkt beide Partner
Auch gesellschaftlich ist die Anerkennung humanistischer Verbände als Körperschaften des öffentlichen Rechts für Meixner und Hammer ein wichtiges Zeichen. Die Anerkennung zeige, dass Humanismus wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei, erzählt Meixner. Auch wenn die eigentliche Verleihung keinen großen Unterschied für die Arbeit des Verbandes vor Ort gemacht habe, so könne man durch sie den Humanismus besser nach außen tragen und so erlebbar machen. "Aber es ist eben nicht nur toll für uns, sondern ebenso Pflicht und Aufgabe, aus dieser Anerkennung etwas zu machen und nicht einfach wie bisher weiterzumachen. Das gilt gerade für Regionen, in denen wenig los ist", erzählt Peter Meixner.
Falls andere Verbände ebenfalls die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts anstreben, erklärt Julia Hammer, sollten sie sich gut überlegen, was für sie wichtig sei. "Und dann sollten sie versuchen, diese Ideen mit dem Landesverband umzusetzen, so dass am Ende nicht der Eindruck entsteht, die eigenen Wünsche seien nicht erfüllt worden." Auch Probleme und Konflikte, die es eventuell vonseiten des Verbandes geben könnte, sollten offen angesprochen werden. "Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es immer eine Lösung gibt, mit der beide Seiten gut leben können."
Peter Meixner ergänzt: "Am Anfang sollten Regionalverbände – auch wenn es wehtut – die Zeit in den Prozess stecken. Gerade in den ersten Gesprächen vor der Körperschaftsverleihung. Die Details, die sonst offenbleiben, machen hinterher noch mehr Arbeit. Es ist ganz wichtig, dass man am Anfang in die Details schaut und genau sagt, was man als Verband braucht und wie das passieren soll. Bei Sachen, die vielleicht entscheidend sind, muss man manchmal auch mehrfach nachbohren. Sonst sitzt man hinterher auf heißen Kohlen, zum Beispiel wenn es eine Abrechnung gibt, aber man die Daten nicht mehr in der Geschäftsstelle hat."
Auch persönlich habe der Prozess die beiden Vorstandsmitglieder weitergebracht. Meixner habe gelernt, "wie viel miteinander statt übereinander reden hilft. Egal wo man hinkommt: Sobald die Fragen aller Seiten auf dem Tisch liegen, lassen sich dafür in der Regel auch Lösungen finden, die für alle Seiten funktionieren. Der Umgang miteinander ist in der Zusammenarbeit mit dem Landesverband immer konstruktiv gewesen." Der zweite Punkt, den er für sich mitgenommen habe sei, dass "sich die Organisationen unterscheiden – vom kleinen Regionalverband mit einigen Ehrenamtler_innen und wenigen Mitarbeiter_innen bis zum Landesverband mit weit über 1.000 Beschäftigen. Da passieren bestimmte Dinge einfach anders und daran muss man sich gewöhnen."
Und Julia Hammer merkt an: "Mir ist aufgefallen, dass so ein Prozess ganz viele Kleinigkeiten und Detailfragen umfasst, die man im Vorfeld gar nicht beachten kann. Deshalb ist die Zusammenarbeit mit dem Landesverband so wichtig. Das alles hat nur funktioniert, weil der Landesverband das Konzept und die Verträge erarbeitet hat. Diese Zusammenarbeit war wirklich entscheidend."