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Tag der Seltenen Erkrankungen: Interview mit Franziska Matthies

Können Sie uns Beispiele für Seltene Erkrankungen nennen, mit denen Menschen in den LudwigPark kommen? 

Schon häufiger hatten wir Gäste mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS). Die Betroffenen leiden aufgrund von fortschreitendem Muskelschwund unter Beeinträchtigungen der Bewegung, Sprache und Schluckfunktionen. Wir hatten auch schon Gäste mit Mamma CA, einer seltenen Form von Brustkrebs bei Männern. Ebenfalls selten und unbekannt sind Karzinome am Wurmfortsatz, fachsprachlich Appendixkarzinom genannt. Weil diese Erkrankungen so selten sind, ist eine individuell angepasste Palliativversorgung umso wichtiger. 

Was sind besondere Herausforderungen im Umgang mit Seltenen Erkrankungen in der Hospizarbeit? 

Das hängt stark von der Erkrankung ab. Generell lässt sich aber sagen, dass der Aufwand für unsere Pflegekräfte oft deutlich höher ist. Das zeigt das Beispiel ALS: Durch die Erschlaffung der Muskulatur sind Betroffene oft nicht mehr in der Lage, Grundbedürfnisse zu befriedigen, die für andere Menschen normal sind. Sie können sich oft nicht einmal mehr an der Nase kratzen, geschweige denn selbstständig essen und trinken. Auch Sprechen fällt ihnen immer schwerer. Sie kommunizieren dann über augengesteuerte Computer mit uns. Das ist sehr zeitaufwändig. Die psychosoziale Belastung ist besonders hoch, auch weil die Krankheitsdauer schwer vorhersehbar ist. Je weiter die Erkrankung fortschreitet, desto anstrengender wird es für alle Beteiligten, also auch für die Angehörigen und unser Pflegepersonal. 

Ob Seltene Erkrankung oder nicht: Am Lebensende benötigt jeder Mensch Unterstützung bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens. Unsere Aufgabe ist es, diese Zeit nach den Wünschen des Gastes würdevoll zu gestalten. Dafür arbeiten wir hier alle gerne. 

Erfahren Menschen mit Seltenen Erkrankungen das Lebensende anders als andere Gäste? 

Die psychischen Belastungen sind bei allen lebensverkürzenden Erkrankungen ähnlich: Betroffene wollen ihre Diagnose zunächst oft nicht wahrhaben. Sie empfinden Wut und entwickelnd dann Hoffnung auf eine erfolgreiche Therapie. Häufig werden sie depressiv. Irgendwann nehmen sie das Sterben an. Diese Phasen können sich wiederholen oder auch völlig durcheinander auftreten. Auch hier im Hospiz kann der Wunsch zu leben wieder aufflammen. Jeder Mensch geht ganz individuell mit seiner Krankheitsgeschichte und seiner Trauer um. Das gilt natürlich auch für Angehörige. Diese unterschiedlichen Stimmungen angemessen zu begleiten – sowohl bei unseren Gästen als auch bei ihren Angehörigen – das macht unser Hospizteam aus. 

Inwiefern sind Hospize für Menschen mit Seltenen Erkrankungen besonders geeignet? 

Ein Hospiz ist ein guter Ort für Menschen, die ihre letzte Zeit würdevoll und selbstbestimmt verbringen möchten. Bei der Aufnahme sagen wir unseren Gästen gerne: "Hier machen wir, was Sie wollen". Hier können sie essen, wann und was sie wollen, sich waschen oder auch nicht, den ganzen Tag fernsehen, tagsüber schlafen und nachts wach sein, und so weiter. Bei uns wird niemand zu etwas gezwungen, was er nicht will. Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen dagegen haben einen ganz anderen Auftrag. Für viele unserer Gäste ist es befreiend, endlich nichts mehr zu "müssen": nicht mehr therapiert oder gesund werden zu "müssen", endlich loslassen zu können. 

Das gilt besonders für Menschen mit einer Seltenen Erkrankung. Wenn sie zu uns kommen, stehen sie aufgrund der Seltenheit ihrer Erkrankung oft am Ende einer langen und einsamen Krankheitsgeschichte. Viele sind deshalb psychisch erschöpft, aber auch noch nicht immer bereit zu sterben. Für den richtigen Umgang damit sind wir im Hospiz geschult. Ganz gleich, wer zu uns kommt: Wir wollen, dass alle unsere Gäste ihre letzten Lebenstage nach ihren ganz individuellen Bedürfnissen verbringen können. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

 

Das Interview führte Jan Cacek, Referent für Öffentlichkeitsarbeit. 

Kontakt

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Franziska Matthies
Hospizleitung
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Jan Cacek
Referent Öffentlichkeitsarbeit
0171 81 79 839