Am 15. Juni 2015 versammelten sich in der Berliner Friedrich-Ebert-Stiftung Vertreter/-innen der Berliner Senatsverwaltung, der Berliner Universitäten, muslimischer Verbände und der christlichen Kirchen sowie Praktiker/-innen aus Schule und Jugendarbeit. Die Fragestellung der – inhaltlich interessanten und methodisch ansprechenden – Veranstaltung lautete: "Ein Institut für islamische Theologie in Berlin – Logische Konsequenz aus dem Berliner Alltag?" Sie war eigentlich schon vorher beantwortet.
Berlin wird ein solches Institut bekommen, auch wenn es über die konkrete Ausgestaltung noch Meinungsverschiedenheiten gibt und die Umsetzung einige Zeit in Anspruch nehmen wird.
Um eine logische Konsequenz aus dem Berliner Alltag handelt es sich nach Ansicht der Mehrheit der Teilnehmer/-innen, weil der Islam ein Teil von Deutschland und besonders einer Großstadt wie Berlin sei. Nun mag es ratsam sein, besser davon zu reden, dass Muslime ein Teil von Deutschland sind, schließlich möchte man doch wohl kaum sämtliche Ausprägungen des Islam als Teile Deutschlands anerkennen. Im Grunde genommen aber ist das Vorhaben, auch in Berlin ein Islamisches Institut an einer Hochschule zu verankern, folgerichtig und begrüßenswert, sofern es sich wirklich um ein wissenschaftliches Institut handelt.
Doch drängt sich auch die Frage nach anderen logischen Konsequenzen aus dem Berliner Alltag auf. Berlin ist schon als "Welthauptstadt des modernen Atheismus" (Peter L. Berger) bezeichnet worden, weil ca. 60 % der Bevölkerung konfessionsfrei sind. Der Anteil muslimischer Bürger/-innen, die einer Religionsgemeinschaft angehören, beträgt in Berlin ca. 7 %, bundesweit 5 %. Wenn islamische Verbände mit Blick auf etwa 5.000 Schüler/-innen im islamischen Religionsunterricht in Berlin auf die Notwendigkeit eines islamischen Institutes zum Zwecke der Ausbildung von Lehrer/-innen verweisen, dann spricht angesichts von über 50.000 Schüler/-innen in dem vom Humanistischen Verband angebotenen Unterrichtsfach Humanistische Lebenskunde einiges für die Einrichtung eines Berliner Instituts für Humanistik.
Selbstverständlich verstehen sich nicht alle Konfessionsfreien in Berlin als Humanist/-innen und fühlen sich der Weltanschauungsgemeinschaft Humanistischer Verband zugehörig. Viele aber doch. Außerdem zeigt allein schon das Lebenskunde-Beispiel, dass das Interesse an einer nicht-religiösen Werteorientierung in der Hauptstadt immens ist. Ein Institut für Humanistik würde wissenschaftliche Humanismus-Forschung mit einer wissenschaftlich fundierten Ausbildung von humanistischen Lehrkräften, Erzieher/-innen, Sozialarbeiter/-innen, Seelsorger/-innen u. a. verbinden. Für einen beträchtlichen Anteil der Berliner Bevölkerung wäre dies ein sinnvolles und durch andere Studiengänge nicht leistbares Angebot.
Die Trennung von Staat und Kirche ist in Deutschland grundgesetzlich verankert. Sie widerspricht dann nicht einer Kooperation des Staates mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, wenn diese gleichbehandelt werden. Die Gleichbehandlung darf sich nicht nur auf Religionsgemeinschaften erstrecken. Es entsteht sonst der fatale Eindruck der staatlichen Bevorzugung der Religiösen inmitten eines religiös und weltanschaulich neutralen Staates sowie inmitten einer nicht nur religiös, sondern eben auch stark säkular geprägten Gesellschaft. Die Einrichtung eines Berliner Instituts für Humanistik ist demnach nicht nur demographisch, sondern auch politisch geboten. Auch der geschäftsführende Landesvorstand der Berliner SPD befürwortet grundsätzlich den Aufbau eines entsprechenden Lehrstuhls in Zukunft. Nebenbei würde dies auch die Legitimität religiöser Institute deutlich erhöhen.
Ralf Schöppner