Am 16. Februar 2024 fand in den Räumen der Humanistischen Akademie die Buchpräsentation von „Humanismus in, Mitgliedschaft out?“ statt. Die von der Berliner Senatsverwaltung geförderte Veranstaltung wurde von Ralf Schöppner eröffnet, gefolgt von einer Präsentation der Studie „Wer sind die Humanist*innen in Berlin?“ (2022) durch Horst Junginger, Thilo Rother und Katharina Neef vom Leipziger Institut für Religionswissenschaft. Die Darstellung der Ergebnisse dieser Studie, ihre Interpretation und Diskussion findet sich den 1. Teil des neuen Buches (im 2. Teil geht es um Beziehung zwischen Humanismus und Existenzialismus). Das Buch ist bereits im Dezember 2023 im Alibri Verlag erschienen.
Die qualitativen Interviews dieser Studie ergaben einen klaren Befund: Die Befragten identifizierten sich als Humanist*innen nicht durch formelle Mitgliedschaften, sondern durch ihr praktisches Engagement für humanistische Belange sowie das Teilen humanistischer Überzeugungen wie Selbstbestimmung, Verantwortung und Toleranz. Horst Junginger bewertete diese Erkenntnisse positiv und betonte das sich daraus ergebende Potenzial für den Humanistischen Verband Berlin Brandenburg.
Ein wichtiger Punkt, der nach Horst Junginger weiter diskutiert werden sollte, ist die Bedeutung des verwaltungsrechtlichen Weltanschauungsbegriffs in Deutschland, den der Humanistische Verband aufgrund rechtlicher Anerkennung und finanzieller Gleichstellung mit den Kirchen berücksichtigen muss. Dieser Begriff setzt eine klare Abgrenzung zu anderen Weltanschauungen, eine Art Exklusivität, voraus. Das wiederum widerspricht eigentlich der Tradition des Humanismus. Junginger plädiert deshalb für eine gewisse Distanzierung vom verwaltungsrechtlichen Weltanschauungsbegriff, um so neuen Formen von humanistischer Zugehörigkeit mehr Entfaltungsraum zu geben.
Im Anschluss an Junginger zoomte Thilo Rother in dieses Spannungsverhältnis hinein und zeigte detaillierter, welche Rolle hier die geteilten Weltanschauungen, humanistische Werte und Lebensführungen spielen. In diesem Zusammenhang stellte er auch das Konzept der „unbewussten Humanist*innen“ vor. Vielen Menschen, die nach humanistischen Werten leben, ist ihre weltanschauliche Zugehörigkeit zum Humanismus gar nicht bewusst. Daran anschließend plädierte Katharina Neef für eine stärkere Fokussierung der emotionalen, sozialen, ja rituellen Dimension der Zugehörigkeit und hob die Bedeutung eines Äquivalents zur „Gemeinde“ hervor, in der sich Humanist*innen ungezwungen treffen können.
Aus dem folgenden Kommentar des Referenten für Weltanschauung des Humanistischen Verbandes Berlin Brandenburg, Sven Thale, wurde deutlich, dass der Verband sich selbst als Mitgliederverband definiert. Darüber hinaus würden Zahlen formaler Mitgliedschaft auch weiterhin ein wichtiges äußeres Kriterium für die rechtlich-politische und finanzielle Gleichstellung bleiben. Daran anknüpfend erinnerte Ralf Schöppner daran, dass der juristische Rahmen der Realität überhaupt nicht mehr gerecht werde und eine Reform des Religions- und Weltanschauungsrechts in Deutschland überfällig sei.
In der anschließenden Publikumsdiskussion ging es dann tatsächlich mehr um die sozialen, emotionalen und rituellen Aspekte der Zugehörigkeit, weniger um die formelle Mitgliedschaft oder verwaltungsrechtliche Belange. Insbesondere humanistische Feierkultur wurde unter den Gästen der Veranstaltung rege diskutiert.
Das Spannungsverhältnis zwischen rechtlichen Anforderungen und dem Selbstverständnis der Humanist*innen bleibt bestehen. Und die Suche nach zeitgemäßen Rahmenbedingungen und neuen Zugehörigkeitsmodellen wird hoffentlich weiter gehen.
Die Abendveranstaltung bot einen Einblick in den relativ neuen Diskurs über humanistische Zugehörigkeitsformen und lud die Teilnehmenden ein, gemeinsam über humanistische (inklusive) Formen von Zugehörigkeit nachzudenken. Das Buch „Humanismus in, Mitgliedschaft out“ bietet dafür ab sofort eine solide theoretische Grundlage.
Diese Veranstaltung wurde von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gefördert und fand im Rahmen des Dialogs der Weltanschauungen 2024 statt - in Kooperation u.a. mit der Humanistischen Akademie Deutschland. Die Humanistische Akademie Berlin-Brandenburg ist Unterträger der Humanistischen Akademie Deutschland, die ein anerkannter Träger der Bundeszentrale für politische Bildung ist.