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„Kevin, das ist kein Name, das ist eine Diagnose!“

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Wenn wir als Humanist_innen Namensfeiern begehen, geht es um weit mehr als um "Schall und Rauch". Es gehört ganz selbstverständlich dazu, mit den ersten Atemzügen auf dieser Welt auch einen Namen zu bekommen, mit dem ich gerufen und an dem ich erkannt werden kann – aber warum ist das eigentlich so wichtig? Könnte ich auch eine Zahl sein?

Wohl kaum. Für den Namensforscher Friedhelm Debus ist der Personenname eine "anthropologische Grundausstattung". Und die Akademie der Wissenschaften und der Literatur stellt fest: Namen sind in hohem Maße identitätsstiftend. Durch den Namen wird ein Mensch ansprechbar, unterscheidbar von anderen – und damit auch identifizierbar.

Johann Wolfgang Goethe drückte genau dies in seiner Tiefe sehr poetisch aus, als er feststellte: "Der Eigenname eines Menschen ist nicht etwas wie ein Mantel, der bloß um ihn her hängt, sondern er ist ein vollkommen passendes Kleid – ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen."

Das Problem ist nur, dass Menschen häufig auf Grundlage ihres Namens bewertet und beurteilt werden - verzerrt durch Vorurteile. Oft verbindet man mit bestimmten Namen verinnerlichte Menschenbilder, die dann unreflektiert weitergegeben werden. Auf diese Weise werden dem Vornamen vermeintliche Informationen über seine_n Träger_in entnommen: Alter, Geschlecht, Attraktivität, Intelligenz, Ansehen, Ethnizität, Nationalität, Regionalität... und noch bevor ich auch nur ein Wort mit einem Menschen gesprochen habe, habe ich mir bereits aufgrund seines bloßen Namens ein Bild von ihm gemacht.

So haben beispielsweise Menschen, die den Namen "Kevin" tragen, oft eine ziemliche Hypothek im Gepäck, wie die Ansicht belegt, dass Kevin "kein Name, sondern eine Diagnose" sei. Diese Äußerung geht zurück auf einen Lehrer, der damit ausdrücken wollte, wofür der Name seiner Ansicht nach anscheinend stand: massive Verhaltensauffälligkeit. So oder so ähnlich müssen sich viele Kevins dieser Tage mit diesem und anderen mehr oder weniger stark ausgeprägten Vorurteilen herumschlagen.

Kevin ist kein Einzelfall: Schüler_innen mit negativ assoziierten Namen werden tendenziell schlechter benotet als Kinder mit neutralem Namen – und Schüler_innen mit positiv assoziierten Namen tendenziell besser.

Das zeigt, wie verstrickt wir in unsere eigenen kognitiven Verzerrungen sind und wie wichtig es ist, sensibler für solche Vorurteile zu werden. Für ein menschenwürdiges Zusammenleben sorgen deshalb vor allen Dingen von Neugier und Interesse gespeiste Begegnungen mit anderen Menschen und  Gelegenheiten, sie gut kennenzulernen – was sie ausmacht, was sie umtreibt, ihre Bedürfnisse, Werte und Gefühle.

Genau das ist ein wichtiger Grund, warum für uns humanistische Lebensfeiern wichtig sind: es sind Gelegenheiten für verbindende und lebendige Begegnungen unterschiedlicher Menschen an existenziell bedeutsamen Übergangsstellen des Lebens. Und indem wir zugleich wie in der Namensfeier die Unverwechselbarkeit und Einzigartigkeit eines jeden Menschen zelebrieren und sein eigenes Potential und lebenslange Fähigkeit zur Entwicklung betonen, helfen wir mit, Lebensfreude und ein als sinnvoll erlebtes Leben zu stärken. Wenn wir so feiern, wird die Welt ein kleines Stück freundlicher.

Übrigens: 2020 waren Mia und Noah die beliebtesten Namen im Land.

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Christian Lisker
Referent für praktischen Humanismus
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