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  • ernstol via Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
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Debatte um Humboldt Forum: HVD fordert Mikroskop statt Kuppelkreuz

Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg fordert in der Debatte um den Dachschmuck auf dem Humboldt Forum mehr Einfallsreichtum und historische Verantwortung. Vor dem Hintergrund der Pläne mit dem Humboldt Forum schlägt er ein Mikroskop als sichtbare Krönung der Kuppel vor, ähnlich wie sich eines auf dem Turm des Instituts für Virologie in Straßburg befindet.

"Ein Mikroskop würde nicht nur die Werte der Aufklärung und den Wissensdrang der Namensgeber Alexander und Wilhelm von Humboldt spiegeln, sondern auch den Anspruch, die ausgestellten Sammlungen kultursensibel und geschichtsbewusst noch einmal unter die Lupe zu nehmen. Der Humanistische Verband würde sich an der Finanzierung eines solchen Mikroskops auch beteiligen."

Dies erklärt Katrin Raczynski, Vorstand des Humanistischen Verband Deutschlands, Landesverband Berlin-Brandenburg e.V. zur Debatte um den Dachschmuck auf der Kuppel des Humboldt Forums.

"Wer wie Bischof Markus Dröge ein Kreuz auf dem Dach des Stadtschlosses fordert, ist revisionistisch und nicht visionär. Der Kulturkampf, den der Vorsitzende der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz gemeinsam mit dem Theologen und Vorsitzenden des Fördervereins Berliner Schloss Richard Schröder mit der Forderung nach einem Kuppelkreuz betreibt, wird weder dem Ziel, das Stadtschloss ins 21. Jahrhundert zu überführen, noch der Offenheit einer bunten und vielfältigen Berliner Gesellschaft gerecht. Auch der von der ‚Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum‘ selbst gesetzte Anspruch der Völkerverständigung würde durch ein Kreuz torpediert. Die von Bischoff Dröge und Herrn Schröder vorgetragenen Argumente mit historischem Anstrich spiegeln einmal mehr den Dominanzanspruch der Kirche im gesellschaftspolitischen Diskurs in einer Stadt, in der zwei Drittel der Bevölkerung es vorziehen, ohne Gott und Kirche ihr Leben zu gestalten."

Auch der Vorschlag des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime Aiman Mayzek, auf die Kuppel ein Symbol zu bringen, das Kreuz, Halbmond und Davidstern vereine, um den Dialog zwischen Christen, Juden und Muslimen aufzuzeigen, ist für den Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg keine gute Lösung. Katrin Raczynski kommentiert die aktuelle Debatte weiter wie folgt:

"Die Bauherrin und Projektinitiatorin 'Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum' wird mit Bundestagsmandat in nicht geringem Umfang vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gefördert, arbeitet eng mit der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien zusammen und hat den Bundespräsidenten als Schirmherren an ihrer Seite. Für die Finanzierung des Bauvorhabens in Höhe von knapp 600 Millionen Euro kommt der Steuerzahler zu mehr als vier Fünfteln auf, auch das Land Berlin beteiligt sich mit einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Es handelt sich hier um ein quasi-staatliches Bauvorhaben, für das es sich verbietet, über einen Bruch des staatlichen Neutralitätsgebots auch nur nachzudenken"

Alexander Bischkopf, Referent für Weltanschauungsfragen im HVD Berlin-Brandenburg, ergänzt:

"In einer zunehmend säkularen Gesellschaft halte ich es für ein völlig falsches Zeichen, ein so prominentes öffentliches Gebäude unter das Signum einer Religion zu stellen. Das Kreuz als christliches Symbol auf dem Haus, in dem die ohnehin schon historisch belastete völkerkundliche Sammlung beheimatet werden soll, wäre ein fatales Signal an die Welt. Es würde die christlich-europäische Überlegenheitsvorstellung, die der zum Teil christlich legitimierten, brutalen Expansion im Zuge des Kolonialismus der europäischen Großmächte zugrunde liegt, nachträglich gutheißen und verherrlichen. Statt den Kritiker_innen des Kreuzes vorzuwerfen, sie würden sich zu 'Zensoren der Geschichte' aufschwingen, sollten die Verfechter des Kreuzes doch einmal über ihr historisches Verständnis und die Verantwortung für diesen dunklen Teil der europäischen Geschichte nachdenken."

Katrin Raczynski erklärt für den HVD Berlin-Brandenburg, der die Interessen der Konfessionsfreien in Berlin und Brandenburg vertritt, ferner:

"Der Vorwurf von Bischoff Dröge, dass die Kritiker_innen des Kreuzes auf dem Humboldt Forum 'die Fakten unserer christlich geprägten Kultur' verdrängen würden, ist eine Provokation, die zudem die tatsächlichen Gegebenheiten verkennt. Ein sichtbareres Zeichen für den vorwiegend christlichen Einfluss auf die deutsche Geschichte als den Berliner Dom wenige Meter neben dem Humboldt Forum kann es in Berlins Mitte nicht geben."