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Was guttun kann. Trauern in Zeiten der Corona

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Was guttun kann. Trauern in Zeiten von Corona

Wenn man in diesen unwirklichen Tagen einen geliebten Menschen verloren hat, ist es noch schwieriger als ohnehin schon, mit diesem Verlust klarzukommen. Menschliche Nähe ist nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. In dieser Zeit ist es noch schmerzlicher, wenn viele Menschen nicht wirklich wissen, wie sie reagieren sollen, wenn ein Mensch gestorben ist und es gilt, Betroffenheit und Mitgefühl auszudrücken. Die vielen Arten von gut gemeinten Trost-Empfehlungen, die man zu hören bekommen kann, sind oft nicht sehr hilfreich: Die Zeit heile alle Wunden. Man solle positiv denken. Man müsse loslassen. So sei nun einmal das Leben. Man möge es mit Fassung tragen oder sich ablenken. Auf Regen folge Sonnenschein. Was mich nicht umbringe, mache mich nur stärker. In einem Jahr sei das alles nicht mehr so schlimm. Man möge sich in Tapferkeit üben und könne das auch. All dies mögen aufrichtige Versuche sein, jemandem zur Seite zu stehen. Allerdings tragen sie häufig viel eher dazu bei, dass trauernde Menschen sich nicht gesehen und nicht verstanden zu fühlen.

Viele von uns kennen diese Situation wahrscheinlich von beiden Seiten. Unser gesellschaftliches Repertoire an guttuenden Verhaltensweisen in solchen Momenten ist gering. Wie also kann ich eher hilfreich sein? Was ich vor jedem Ratschlag zuerst brauche, wenn ich gerade einen geliebten Menschen verloren habe, sind Mitgefühl und Empathie. Trost kann entstehen, wenn ich mich verstanden und akzeptiert fühlen kann, so, wie ich gerade bin. Wenn jemand mich aushält in meiner Traurigkeit. Wenn jemand so etwas sagt wie: "Du armer Kerl! Es tut mir so leid, dass Du das gerade erleben musst. Mir fehlen die Worte." Manchmal sind viele Worte weder hilfreich noch nötig. Unter normalen Umständen – ohne Corona-Kontaktbeschränkungen – kann es stattdessen enorm wichtig und tröstlich sein, einfach in die Arme genommen zu werden, mich so in meinem Schmerz gehalten fühlen zu können, als würde jemand auf diese Weise ohne Worte sagen: "Du kannst jetzt einfach weinen. Ich halte deine Trauer aus." Das Grausame an der derzeitigen Krise ist, dass diese Möglichkeit zurzeit kaum oder gar nicht besteht.

Doch auch wenn Umarmungen derart eingeschränkt sind, muss ich vielleicht in geänderter Form nicht ganz auf sie verzichten. Als jemand, der trösten will, aber Abstand halten muss, kann ich zumindest den Angehörigen gegenüber verbalisieren, dass mir angesichts dieses Verlustes die Worte fehlen – und dass ich das Bedürfnis verspüre, mein Gegenüber zu halten: "Bitte stell dir vor, dass ich dich jetzt fest in den Arm nehme." Und vielleicht kann ich mein Gegenüber einladen, wenn es ihm guttut, ein paar ruhige gemeinsame Atemzüge lang bei dieser Vorstellung zu bleiben. Natürlich kann eine imaginäre Umarmung eine echte nicht ersetzen – aber das innere Bild, das entsteht, und die mit ihr erfolgte menschliche Verbindung voller Mitgefühl und Nähe können manchmal dennoch sehr tröstlich sein.

Wenn ich selber einen Verlust erlitten habe, besteht eine weitere Möglichkeit einer Art Umarmung in Corona-Zeiten darin, dass ich sie dem Menschen zukommen lasse, der besser als irgendjemand sonst nachfühlen kann, wie es mir geht: mir selbst. Obwohl wir meist sehr viel besser darin sind, uns selbst zu kritisieren, können wir uns gerade in dieser Situation darin üben, uns selbst ein_e gute_r Freund_in zu sein – ein Mensch, der uns versteht und Mitgefühl zeigt, wenn wir trauern. Das bedeutet, dass ich mein eigenes trauerndes Dasein akzeptiere, wie es ist, und mir selbst mit Freundlichkeit, Wärme, Mitgefühl und Fürsorglichkeit begegne. Wenn ich mag, kann ich mich an folgender Übung versuchen, sofern und solange sie etwas für mich ist und mir guttut:

  • Ich nehme eine entspannte und bequeme Haltung ein, in der ich zugleich wach und aufmerksam sein kann, und nehme in Ruhe drei tiefe Atemzüge – so, dass es angenehm für mich ist.
  • Ich wähle eine meiner Hände und stelle mir vor, es sei die Hand einer sanftmütigen, freundlichen und liebevollen Person, der ich vollkommen vertraue.
  • Ich lege die Hand sanft und ruhig auf einen Teil meines Körpers, wo ich meine Trauer körperlich spüren kann, oder einfach auf die Mitte meiner Brust, sofern mir das angenehm ist.
  • Ich lasse die Hand sanft auf meinem Körper liegen und spüre die Wärme, die durch die Handfläche in meinen Körper fließt.
  • Ich stelle mir vor, wie durch meine Hand Fürsorglichkeit und Freundlichkeit in meinen Körper strömen und sich ausdehnen.
  • Wenn ich mag, kann ich nun auch die andere Hand mit hinzunehmen und die eine Hand auf die Brust legen, die andere auf den Bauch.
  • Ich bleibe nun eine Weile in dieser Haltung, mich selbst unterstützend, liebevoll und freundlich.

Auch andere liebevolle Gesten sind möglich, wie etwa sich den Nacken oder über den Arm streichen. Diese Übung kann beruhigend und tröstend wirken, wenn die Trauer intensiv ist.

Hilfreich kann auch sein, wenn man kleine Beziehungsrituale pflegt– etwa einen besonderen Ort in der Wohnung zu haben, wo ich Bild des Verstorbenen anschauen kann, wann immer mir danach ist, wo Blumen stehen und wo man vielleicht hin und wieder eine Kerze anzünden möchte. Es kann auch hilfreich sein, einige Gegenstände der_des Verstorbenen zu finden und hier zu platzieren. Kleine Rituale der Erinnerung können manchmal enorm hilfreich und tröstlich sein – aber nach eigenem Bedürfnis, selbstbestimmt und frei: es passt, was zu mir passt und was mir guttut. Was nicht, das mache ich auch nicht.

Wichtig ist auch, nicht zu schnell wieder "normal" funktionieren zu wollen, insbesondere nicht dem Druck der Außenwelt nachzugeben, die die Rückkehr zur Normalität oft genug mehr braucht als man selbst. Trauer ist völlig normal. Sie ist eine natürliche und wichtige Reaktion unseres Organismus auf einen zentralen Verlust in unserem Leben und dient dessen Verarbeitung. Und sie braucht Zeit – und zwar genauso lange, wie sie nun einmal braucht. Man schließt nicht einfach und schon gar nicht endgültig ab mit einem Verstorbenen, mit dem man viele Jahre oder Jahrzehnte gemeinsam durchs Leben gezogen ist. Oft bleibt noch lange oder sogar lebenslang ein Gefühl der Sehnsucht und des Vermissens, wenn auch nicht ständig. Dies gilt es mitfühlend anzunehmen.

Wenn ich auf der Seite derer stehe, die einen trauernden Menschen begleiten wollen, ist in diesen Tagen noch eine andere Art von Zuwendung wichtig: aktive und engagierte Kontaktpflege. In den ersten sechs bis acht Wochen nach dem Tod des nahen Menschen bekommt man als trauender Mensch noch relativ viel Zuwendung. Danach wird es deutlich stiller. Man scheut sich in der Folgezeit oft nachzufragen, wie es den Trauernden geht, weil man ihren Schmerz nicht verstärken will. Hier ist es wichtig, auf jeden Fall nachzufragen, sensibel, aber aktiv und direkt. Trauernde Menschen ziehen sich oft zurück, weshalb es zwar gut gemeint, aber kaum hilfreich ist, es bei dem Angebot zu belassen: "Ruf einfach an, wenn du etwas brauchst." Deshalb ist es nötig, selbst anzurufen und direkt nachzufragen, wie es den Angehörigen geht, besonders in dieser Zeit unfreiwilliger sozialer Distanz. Wenn es an der Zeit ist, können auch geteilte Erinnerungen über den verstorbenen Menschen sehr helfen, die keineswegs nur traurig, sondern auch lebendig, witzig und heiter sein können. Wenn so auch Lachen, Freude und Dankbarkeit mitten in der Erfahrung des Todes Raum nehmen dürfen, kann auch das sehr erleichternd und lebensbejahend wirken und gerade darin enorm trösten.

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Christian Lisker
Referent für praktischen Humanismus
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