Den 1. August 2009 wird Franziska Matthies nie vergessen. Es war ihr erster Arbeitstag im Hospiz LudwigPark. Als sie abends nach Hause kam, wusste sie: „Da geh ich nie wieder weg. Die Arbeit will ich mein Leben lang machen – menschlich so intensiv, so würdevoll.“
Dass die gelernte Elektrozeichnerin und Nachrichtentechnikerin einmal ein Hospiz leiten würde, hätte sie früher nie gedacht. Lehrerin durfte sie in der DDR aus medizinischen Gründen nicht werden. „Eigentlich wollte ich schon immer was mit Menschen machen“, sagt sie. Nach der Wende absolvierte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester, arbeitete danach viele Jahre auf einer Intensivstation. Da war ihr Job: Reanimieren, Funktionieren – für den einzelnen Menschen blieb wenig Zeit.
Ganz anders im LudwigPark. Bereits an ihrem ersten Tag spürte sie: „Hier ist man nicht Patient*in, hier ist man Gast.“ Das heißt: „Wir widmen uns den Menschen, nehmen uns Zeit, hören zu, versuchen Wünsche so gut es geht zu erfüllen. Ganz wichtig: Wir begegnen unseren Gästen immer offen und unvoreingenommen.“ Eine Haltung, die sie als Pflegefachkraft und seit 2013 als Leitung des LudwigParks gemeinsam mit ihrem Team tagtäglich lebt.
Diese Haltung kann im Hospizalltag große Wirkung haben – manchmal sogar unerwartete. Eine ältere Dame war zunächst fest entschlossen, nichts mehr essen und trinken zu wollen. Ein legitimer Wunsch, doch Franziska bot ihr immer wieder etwas zu essen an: „Eines Tages stand Blutwurst mit Sauerkraut und Kartoffeln auf dem Speiseplan. Als die Dame das hörte, sagte sie nur: ‚Das ist ja mein Lieblingsessen, na her damit!‘ Von da an aß sie wieder und versuchte ihre letzten Tage noch zu genießen.“
Bis heute gibt Franziska manchmal das Essen an die Gäste aus oder kocht es selbst. Trotz ihrer Leitungsaufgaben packt sie an, wo sie kann – ob in der Küche oder in der Pflege. „Sie ist sich nicht zu schade, die Dinge zu erledigen, die gerade anfallen“, so Sabine Sebayang, Abteilungsleitung der humanistischen Hospize und langjährige Weggefährtin. „Ärmel hochkrempeln und einfach machen“, wie Franziska selbst sagt. Hospizarbeit sieht sie als Gemeinschaftsaufgabe. Das kommt an im 38-köpfigen Team, das unter ihrer Leitung immer enger zusammengewachsen ist.
So sehr Franziska den LudwigPark prägt, auch er hat sie verändert: „Leben ist endlich, das erfahren wir hier jeden Tag. Für mich heißt das: Das Leben jetzt genießen. Alles, was später kommt, ist Zugabe.“ Kleine oder größere Träume erfüllt sie sich, so gut sie kann, reist viel mit ihrem Mann Dirk zusammen. Mit ihm spricht sie oft über Leben und Tod – ein Thema, das für sie beide längst selbstverständlich ist. Auch für ihn ist der LudwigPark Herzenssache. Trotz seines Vollzeitjobs engagiert er sich regelmäßig im Hospiz und kocht manchmal für die Gäste. „Der LudwigPark ist in der Familie Matthies nicht Arbeit, er ist Berufung“, so Dirk. Kein Wunder also, dass sich für Franziska seit ihrem ersten Tag im LudwigPark eines nicht verändert hat: „Ich wünsche mir, dass ich hier bis zur Rente arbeiten darf. Das ist mein ernst gemeinter, tiefer Wunsch.“