Bundesgesetzliche Regelung zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln
Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestags,
in jedem Wahlkreis in Deutschland – so auch in Ihrem – wird es Menschen geben, die keinen
Kinderwunsch haben oder sich vor sexuell übertragbaren Infektionen (STI) schützen wollen, aber
sich die Kosten für Verhütungsmittel nicht leisten können.
Das lässt sich auch aus der Evaluation des vom pro familia Bundesverband durchgeführten und vom
BMFSFJ finanzierten Modellprojekts „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei
Verhütung“ in der letzten Wahlperiode schließen.
Für regelmäßige Ausgaben wie beispielsweise für die Pille (ca. 22 Euro monatlich), aber auch hohe
einmalige Kosten für eine Hormonspirale (ca. 450 Euro) oder eine Kupferspirale (ca. 270 Euro) haben
viele Menschen mit geringem Einkommen nicht genug Geld. Selbst die Anwendung von Kondomen
kann das Budget von Menschen mit wenig Geld unverhältnismäßig belasten.
Eine gebärfähige Person, die generell oder aktuell keinen Kinderwunsch hat, braucht gegebenenfalls
über viele Jahre bis zur Menopause ein sicheres Verhütungsmittel. Die gesetzliche
Krankenversicherung übernimmt die Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel nur für
Versicherte bis zum vollendeten 22. Lebensjahr. Menschen im Bürgergeldbezug müssen sich
entscheiden, ob sie den monatlichen Regelsatz für Gesundheitspflege von 17 bis 21 Euro für
Verhütung oder für andere Bedürfnisse ausgeben. In manchen Wahlkreisen – gegebenenfalls auch in
Ihrem – gibt es kommunale Programme, die Menschen bei der Finanzierung von Verhütungsmitteln
unterstützen. Wer anspruchsberechtigt ist, hängt dann vom Wohnort ab. Solche Programme helfen
nur sehr begrenzt, weil die Angebote meistens eng definiert sind, das Geld oft nicht ausreicht oder
die Anspruchsberechtigten keine Informationen über das Angebot haben. Männer sind bisher sogar
generell von einer Kostenübernahme von Methoden der Verhütung von Schwangerschaften und STI
ausgeschlossen.
Die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geförderte Studie „frauenleben 3 –
Familienplanung im Lebenslauf von Frauen“ zeigt, dass Frauen, die Transferleistungen beziehen, im
Vergleich zu Frauen in besserer wirtschaftlicher Situation seltener mit der Pille oder der Spirale
verhüten und häufiger auf Verhütung verzichten.
Aus Kostengründen nur unregelmäßig verhüten zu können, zu preiswerteren und weniger
zuverlässigen Methoden zu wechseln oder auf Verhütung von Schwangerschaften und STI ganz
verzichten zu müssen – das belastet die Sexualität, die Partnerschaften, die Familien und die
Gesundheit von Menschen. Die Verantwortung für Verhütung und das Risiko einer ungeplanten oder
ungewollten Schwangerschaft lastet weiterhin besonders auf Frauen.
Der Zustand, dass Menschen in Deutschland, die sicher verhüten und sich vor STI schützen wollen,
dies aus Kostengründen nicht tun können, ist unhaltbar.
Zugang zu Verhütungsmitteln und Informationen und Beratung zur Familienplanung und zur
Vermeidung ungewollter Schwangerschaften und STI sind zentral für eine menschenrechtsbasierte
Gleichstellungs‐, Gesundheits‐ und Familienpolitik. Der UN‐Frauenrechtsausschuss hat Deutschland
letztes Jahr zum wiederholten Mal aufgerufen, sicherzustellen, dass erschwingliche moderne
Verhütungsmittel für alle Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter zugänglich sind, gegebenenfalls
kostenlos, insbesondere für Frauen und Mädchen ohne ausreichende finanzielle Mittel.
Wir, die unterzeichnenden Verbände und Organisationen, fordern alle Mitglieder des Deutschen
Bundestags auf, sich dafür einzusetzen, dass noch in dieser Wahlperiode bundesgesetzliche
Regelungen beschlossen werden, um sicherzustellen, dass alle Menschen, die verhüten wollen, sich
das sichere und gesundheitsschonende Verhütungsmittel ihrer Wahl leisten können, und
niemandem der Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln aus Kostengründen verwehrt ist.
Entsprechende Regelungen kämen allen Menschen in Ihrem Wahlkreis zugute, die aus Kostengründen
nicht sicher verhüten können, obwohl sie es wollen.
Unsere Forderung richtet sich insbesondere an alle Abgeordneten der Regierungsparteien, deren
Koalitionsvertrag in Aussicht stellt: „Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als
Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen. Wir wollen
die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anheben.“
Wir fordern das Bundesministerium für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf, zur Umsetzung dieses Vorhabens umgehend einen
Gesetzentwurf vorzulegen, zu beraten und im Bundestag zur Abstimmung zu stellen.
Unsere Verbände und Organisationen sichern ihre Unterstützung für die Konzeption und Umsetzung
zielführender gesetzlicher Regelungen zu.
Unterzeichnende Verbände:
Allgemeiner Behindertenverband in Deutschland
e.V. ,
Marcus Graubner, Vorsitzender
AWO Bundesverband e.V.,
Kathrin Sonnenholzner, Vorsitzende des Präsidiums
Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin,
Psychotherapie und Gesellschaft e.V.,
Juliane Sim, Vorsitzende
Amnesty International,
Dr. Julia Duchrow, Generalsekretärin
Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung,
Sarah Heitsch, Sophia Stelzhammer, Elisabeth Eller
und Dr. Ines P. Scheibe, Koordinierungskreis
Bundesärztekammer,
Dr. Klaus Reinhardt, Präsident
Bundesforum Männer Interessenverband für jungen,
Männer und Väter e.V.,
Thomas Altgeld, Vorstandsvorsitzender
Bundesverband der Frauengesundheitszentren,
Sigrid Schellhaas, 1. Vorsitzende
Bundesverband Mütterzentren e.V.,
Yvonne Plöger und Daniela Hettich,
Vorstandsmitglieder
Bundesweite Koordinierungskreis gegen
Menschenhandel – KOK e.V.,
Sophia Wirsching, Geschäftsführerin
Bundesverband Trans* e.V.,
Nora Eckert, Vorständin
DaMigra e.V., Dachverband der
Migrantinnenorganisationen
Lourdes Martínez, Vorstandsvorsitzende
Deutsche Aidshilfe,
Sylvia Urban, Mitglied des Bundesvorstands
Deutscher Caritasverband e.V.,
Eva Maria Welskop‐Deffaa, Präsidentin
Deutscher Hebammenverband e.V.,
Ulrike Geppert‐Orthofer, Präsidentin
Deutscher LandFrauenverband,
Ursula Braunewell, Erste Vizepräsidentin
Deutscher Frauenrat,
Dr. Beate von Miquel, Vorsitzende
Deutscher Frauenring e.V.,
Celeste Eden, Präsidiumsmitglied
Deutscher Gewerkschaftsbund,
Elke Hannack, Stellvertretende Vorsitzende
Diakonie Deutschland,
Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik
Doctors for Choice Germany,
Dr. Alicia Baier, Vorstandsmitglied
donum vitae zur Förderung des Schutzes zur
Förderung des Schutzes des menschlichen Lebens
e.V.