Was sind weltliche Schulen? Und wie viele gab es?
Was sind die weltlichen Schulen? Die Antwort auf diese Frage erhalten Sie im Folgenden in Form einer historischen Ergänzung und Einordnung.
Wie viele weltliche Schulen gab es in Berlin?
Eine besondere politische Konstellation auf den drei Ebenen der Kultusbürokratie in Preußen, des Stadtschulamtes von Berlin und dem Bezirksamt Neukölln ermöglichte das herausragende pädagogische Experiment der „weltlichen Schulen“ in einer damals weithin konfessionell geprägten Bildungslandschaft. Denn während in Preußen gerade einmal ein Prozent aller Schüler*innen solche weltlichen Schulen besuchen konnten, waren es in Berlin zum Ende der Weimarer Republik immerhin etwa zehn Prozent – im Arbeiterbezirk Neukölln gingen ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen auf solche Schulen.
Rütli-Schule in Neukölln war Lebensgemeinschaftsschule
Im Zuge der Novemberrevolution 1917/18 kamen führende Freidenker in die Leitung des Preußischen Kultusministeriums, darunter etwa Konrad Haenisch. In Berlin waren es ebenfalls sozialistisch orientierte Pädagog*innen wie Wilhelm Paulsen oder Jens Nydahl, die lange die Schulpolitik bestimmten. Und in Neukölln wählte eine linke Zweidrittelmehrheit aus SPD beziehungsweise USPD und KPD bis 1933 regelmäßig den Reichstagsabgeordneten Kurt Löwenstein zum Bezirksstadtrat für Volksbildung – einer der profiliertesten sozialistischen Schulpolitiker der damaligen Zeit.
Wie sehr jedoch diese weltliche Schulreformbewegung unter dem massiven Druck der klerikal-konservativen Kräfte stand, wird gerade an der Person Löwenstein deutlich. Denn nach seiner Wahl zum Stadtschulrat 1920 verhinderte eine massive rechte Kampagne gegen den „Juden und Marxisten Löwenstein“ dessen Ernennung. In Neukölln selbst standen er, Fritz Karsen und viele andere Reformer*innen unter dem ständigen Druck des Evangelischen Kirchenkreises und seiner politischen Verbündeten.
Gleichwohl konnte dies nicht verhindern, dass der Bezirk mit seinen vielen weltlichen Schulen quasi zur „Speerspitze“ dieser Reformbewegung wurde. Berühmtes Beispiel war der Schulkomplex „Rütli-Schule“, der sogar den besonderen Status einer „Lebensgemeinschaftsschule“ mit erheblichen pädagogischen Freiheiten erhielt.
Nationalsozialisten organisierten weltliche Schulen um
Noch bekannter sollte das Kaiser-Friedrich-Realgymnasium in der Sonnenallee, das heutige Ernst-Abbe-Gymnasium, werden. Hier realisierte nämlich der Reformpädagoge Fritz Karsen erstmals den Gedanken einer – freilich ebenfalls weltlichen – Gemeinschaftsschule: Nach der Etablierung von sogenannten Arbeiterabiturientenkursen ergänzte er seine Schule um eine achtstufige Volksschule mit hoher Durchlässigkeit zu einem Schulkomplex, der den heutigen Gemeinschaftsschulen sehr ähnlich ist.
1929/30 erhielt diese Schule den Namen „Karl-Marx-Schule“. Den Plan des befreundeten Architekten Bruno Taut für einen modernen und den Ideen Karsens folgenden völlig neuen Schulkomplex, wurde jedoch durch die Machtergreifung der Nazis jäh durchkreuzt. Seine Schule wurde als erste weltliche Schule „umorganisiert“ und Karsen selbst ohne Angaben von Gründen entlassen. Der „Völkische Beobachter“, das Zentralorgan der Nazis, jubelte daraufhin am 22. Februar 1933: „Die Hochburg der marxistischen Unkultur gesäubert“.
An den weltlichen Schulen wurde wieder der Religionsunterricht eingeführt und alle unliebsamen Lehrkräfte entfernt. Karsen emigrierte über Frankreich und Kolumbien in die USA, wodurch er im Herbst 1945 im Dienst der US-Armee als „Chief, Higher Education and Teacher Training“ nach Deutschland zurückkehrte und an der Reform des Berliner Bildungswesens beteiligt war – die sechsjährige gemeinsame Grundschule in Berlin geht auch auf ihn zurück.
Einheitlichkeit, Durchlässigkeit, Wissenschaftlichkeit und Weltlichkeit als Ziele
In der späteren DDR waren es vor allem die Polytechnischen Oberschulen und in West-Berlin beziehungsweise einigen westdeutschen Bundesländern die Gesamtschulen, in denen diese Gedanken aus Weimar wieder aufgegriffen wurden – freilich immer unter den jeweiligen politischen Bedingungen mit entsprechenden Konsequenzen.
Aber erst die heutige Berliner Gemeinschaftsschule versucht, die großen Ziele von Einheitlichkeit, Durchlässigkeit, Wissenschaftlichkeit und Weltlichkeit am konsequentesten zu realisieren. Und nicht umsonst gibt es an allen Grundschulteilen hier auch wieder den Lebenskundeunterricht.
Im Unterschied zu Weimar ist es allerdings aufgrund der Trennung von Kirchen/Weltanschauungsverbänden und Staat kein reguläres Schulfach mehr, sondern eine freiwillige Ergänzung in Trägerschaft des Humanistischen Verbandes Deutschlands. Dieses neue Konzept der Humanistischen Lebenskunde wurde 1984 erstmals eingeführt.
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