
Menschen am Lebensende ein Stück Heimat geben
Vom Gerichtssaal bis in Katastrophengebiete – Dharma Bhusal hat in seinem Leben viele Kapitel geschrieben. Das wichtigste begann, als er einen Freund verlor.
Einsam, verletzt, dem Tode nah – in einem fremden Land: Was viele Migrant*innen durchleben, hat Dharma Bhusal selbst erfahren. 1996, während eines humanitären UN-Einsatzes im Irak, explodierte eine Landmine. Fünf Kolleg*innen starben. Er überlebte schwer verletzt, wurde nach Kuwait evakuiert und lag wochenlang im Koma. Die Pflegekräfte verstanden ihn nicht, weder sprachlich noch kulturell: „Ich fühlte mich ausgeliefert, wie ein Kind ohne Worte.“
Dieses Gefühl völliger Hilflosigkeit lässt Dharma bis heute nicht los. Vielleicht auch, weil er es aus seiner Heimat Nepal ganz anders kennt. Schon als Junge erlebte er, wie alte und kranke Menschen in seinem Dorf starben: auf Höfen oder in einfachen Hütten, stets begleitet und umsorgt von ihren Angehörigen. Die Asche der Toten wurde schließlich in den Fluss geworfen – „zurück in den Fluss des Lebens. Der Tod gehört für uns in Nepal zum Leben dazu“, sagt er. Niemand war allein, weder im Sterben noch mit den Sorgen des Alltags. Mit diesen Sorgen kamen viele zu seinem Vater, dem Dorfältesten, der sie beriet oder ihnen praktisch half. Dharma durfte zuhören, beobachten, mitfühlen.
So wuchs früh der Wunsch in ihm, für andere da zu sein. In Kathmandu wurde er Polizist, Rechts- und Staatsanwalt, zugleich engagierte er sich ehrenamtlich für Drogenabhängige und Familien in sozialer Not. Rollen, die sich überschnitten und ergänzten: Er klärte schwere Verbrechen wie Mord und Raub auf, hörte verzweifelten Angehörigen zu, begleitete sozial Benachteiligte. Er ermittelte nicht nur juristisch, sondern immer auch menschlich, und erkannte: „Um jemanden zu verstehen, muss man sein Leben sehen – mit Herkunft, Geschichte und Wunden.“
Woher Menschen kommen – sozial, kulturell, religiös – faszinierte Dharma schon immer. Als Kriminalbeamter reiste er durch abgelegene Regionen Nepals, später auch nach Indien, Bangladesch und China. „Ich wollte stets verstehen, was uns prägt – nicht nur, was wir tun, sondern warum wir es tun“, sagt er. Schließlich führte ihn dieser Wunsch bis nach Deutschland. „In Nepal hatte ich alles: meine Familie, Freund*innen, eine Karriere, Möglichkeiten. Ich kam nicht, weil mir etwas fehlte. Sondern weil ich mich weiterentwickeln wollte.“
2003 lebte Dharma in Berlin, promovierte und engagierte sich weiterhin ehrenamtlich – mittlerweile bei Dong Heng, dem Vorgängerprojekt von Dong Ban Ja. Dort unterstützte er Migrant*innen, etwa beim Familiennachzug oder bei der Rückkehr in ihre Herkunftsländer. So auch Ram aus Indien, bald ein enger Freund. Als Ram schwer erkrankte und zum Sterben in seine Heimat zurückkehren wollte, versuchte Dharma, ihm das zu ermöglichen: „Ich wollte ihm das ersparen, was ich selbst einst nach meiner schweren Verletzung im Irak erlebt hatte: hilflos zu sein, fern der Heimat, sprachlos und allein.“
Doch Ram verschwand spurlos. Monatelang suchte Dharma verzweifelt nach ihm. Bis er in einer Polizeiwache erfuhr: Ram war einsam in einem Berliner Krankenhaus gestorben. Dharma war zutiefst erschüttert, fühlte sich machtlos. Sein Leben lang war er für andere da – und ausgerechnet für Ram konnte er nichts tun. „In seinen letzten Tagen hätte er jemanden gebraucht, der ihn in seiner Sprache, seinem Glauben und vor allem als Mensch wirklich versteht“, sagt Dharma leise. Von diesem Tag an wusste er: Er wollte Menschen am Lebensende das geben, was Ram gefehlt hatte: ein Stück Heimat.
Dharma wurde ehrenamtlicher Sterbebegleiter und schließlich Koordinator bei Dong Ban Ja. Um sich ganz der interkulturellen Hospizarbeit zu widmen, verkaufte er 2013 sogar sein nepalesisches Restaurant in Charlottenburg und investierte viel Zeit, Geld und Herzblut in Fortbildungen. In den elf Jahren, in denen er den Hospizdienst mittlerweile leitet, hat er ihn geprägt und noch weiter geöffnet: für Menschen aus allen Kulturen, Sprachen und Glaubensrichtungen. Heute ist Dong Ban Ja – wie er selbst – für alle Menschen da.
Ihre Ansprechpersonen
Sie haben Fragen zu dieser Meldung? Dann wenden Sie sich bitte an:
Interkultureller Hospizdienst Dong Ban Ja
Adresse
Wallstraße 61-65
10179 Berlin
Kontakt
- Telefon:030 61 39 04 640
- Fax:030 61 39 04 36
- E-Mail:info@dongbanja.de
- Gehe zur Website:dongbanja.de