Lorenz Klar sitzt im Rollstuhl. Links daneben steht eine Frau, die mit ihrer rechten Hand ein Mikrofon vor seinen Mund hält, in das er spricht.
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Selbstbestimmung und Abhängigkeit: Mein Alltag mit Pflege

veröffentlicht: 12. Mai 2025, 09:05 Uhr

Lorenz Klar (22) leidet an Duchenne-Muskeldystrophie – einer unheilbaren Krankheit, die meist schon Mitte 30 tödlich verläuft. Dank der Pflege seiner Mutter kann er nicht nur überleben, sondern leben. Entlastung finden die beiden regelmäßig im Kinderhospiz Berliner Herz. Anlässlich des heutigen Tags der Pflege erzählt Lorenz, wie sich sein Alltag mit Pflege anfühlt – und warum Selbstbestimmung und Abhängigkeit dabei zwei Seiten derselben Medaille sind.

Eins haben wir alle gemeinsam: Ohne unsere Mutter wären wir nicht hier. Bei mir geht das noch etwas weiter – ohne meine Mutter wäre ich vielleicht gar nicht mehr am Leben. Denn ein Pflegeheim wäre für mich keine Option. Essen? Zur Toilette gehen? Freund*innen treffen? Für all das brauche ich sie. Von morgens bis abends – und von abends bis morgens. Mehrmals pro Nacht muss sie mich wenden, weil ich das allein nicht kann und sonst Schmerzen bekomme. Pflege bedeutet für uns: Teamarbeit.

Meine Mutter kennt meine Bedürfnisse so gut wie ich ihre. Sie weiß, wie sie mich mit dem Deckenlift vom Bett in den Rollstuhl hebt und mir die Zähne putzt. Ich weiß, wann sie von der Arbeit nach Hause kommt und auch mal Zeit für sich braucht. Vieles bleibt unausgesprochen – oft genügt ein Blick. Nicht jeder Moment ist einfach, aber jeder Moment ist kostbar. Wir lachen zusammen und wir weinen zusammen – manchmal liegt beides nah beieinander. Unser Alltag schweißt uns zusammen. Sie ist mein bester Freund. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht zutiefst dankbar dafür bin, sie zu haben.

Nicht nur ein Pflegefall

Nicht trotz, sondern wegen ihrer Pflege habe ich überhaupt erst einen Alltag und so etwas wie Lebensqualität. Ihre Fürsorge gibt mir Selbstbestimmung, Würde und das Gefühl, dazuzugehören. Ich fühle mich sicher, kann leben und nicht nur überleben: ins Kino gehen, mich politisch engagieren, draußen einen Sonnenuntergang genießen. Dank ihr bin ich nicht nur ein Pflegefall – sondern Mensch.

Und doch: Es ist nicht immer leicht – für uns beide nicht. Spontanität ist ein Fremdwort. Jeden Arzttermin, jeden Ausflug müssen wir sorgfältig planen. Meine Abhängigkeit von meiner Mutter ist total: Wenn sie ausfällt, fällt alles aus. Eine Vertretung gibt es nicht. Verzicht ist an der Tagesordnung, auch für sie. Ich habe meine Krankheit akzeptiert – und wünschte doch manchmal, alles wäre anders: keine Schmerzen haben, mich selbst kratzen können, allein essen oder verreisen.

Zwischenmenschliche und bauliche Barrieren

Wohin ich auch gehe: Meine Pflege muss ich immer mitdenken. Das heißt nur leider nicht, dass andere sie auch immer mitdenken. Ich spüre die Blicke, wenn wir in einem Park sitzen und meine Mutter mir etwas zu essen reicht. Überall sind Barrieren: zwischenmenschliche wie bauliche. Was nützt die beste Planung eines Ausflugs, wenn dieser an der Treppe einer U-Bahn-Station endet? Das macht müde. Und es frustriert. 

Gefragt sind nicht nur unsere Mitmenschen, sondern vor allem die Politik: Mehr Rücksicht auf Pflegebedürftige würde das Leben leichter machen. Der erste Schritt dahin ist Einsicht – nämlich die Einsicht, dass Pflege uns alle angeht: ein Unfall, ein Hirnschlag – und auf einmal ist alles anders. Ich bin kein „Sonderfall“. Ich bin einer von uns, einer aus unserer Gesellschaft.

Das wissen Kinder oft am besten. Sie schauen hin und fragen nach, wo Erwachsene beschämt wegsehen. Wer schon als Kind sieht, dass andere im Rollstuhl sitzen, baut gar nicht erst im Kopf Barrieren auf, die später mühsam abgebaut werden müssen. Wenn Pflegebedürftige von klein auf an allen Lebensbereichen teilhaben, müssen sie nicht erst später „inkludiert“ werden. Das würde nicht nur mir und meiner Mutter das Leben leichter machen, sondern uns allen. Denn ob wir es wollen oder nicht, Pflege bedeutet für uns alle: Teamarbeit.

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