Interview mit Clara (geführt von Lydia Skrabania) in der aktuellen Ausgabe der "diesseits - das Humanistische Magazin" (Nr.127, 1/2020)
Clara Wilmes, 20, ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur 2017 wollte sie sich erst einmal mit einem Freiwilliges Sozialen Jahr (FSJ) in der Arbeitswelt orientieren – und landete bei den Jungen Humanist*innen in Berlin. Auch nach dem FSJ blieb sie den JuHus weiter erhalten: Inzwischen absolviert sie ein duales Studium im Bereich "Sozialpädagogik & Management" und ist im Rahmen ihres Praxisteils weiter für JuHu Berlin tätig. Im Interview berichtet sie von den Erfahrungen und Herausforderungen in der Jugendverbandsarbeit in Corona-Zeiten, von neuen digitalen Formaten und der Wichtigkeit eines Wir-Gefühls.
Was sind denn deine Aufgaben bei den JuHus?
Während meines FSJ habe ich ganz verschiedene Aufgaben übernommen: administrative Sachaufgaben im Büro, das Organisieren und Durchführen von Workshops und Ferienfahrten sowie auch Öffentlichkeitsarbeit. Meine aktuellen Arbeitsbereiche sind ähnlich wie damals im FSJ, allerdings übernehme ich jetzt mehr Verantwortung für umfangreiche Aufgaben. Ich war zum Beispiel ver- antwortlich für eine "Matrix"-Party in Kooperation mit der JugendFEIER, die jedoch leider wegen der Corona-Maßnahmen abgesagt werden musste. Außerdem fahre ich regelmäßig als Teamerin bei unseren Fahrten mit und leite Workshops mit Jugendlichen zu unterschiedlichen Themen an.
Wie hat die Corona-Pandemie eure Arbeit beein- flusst? Wie habt ihr auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert?
Die Corona-Pandemie hat unsere Arbeit und ganz allgemein die Jugendverbandsarbeit stark beeinflusst. Von einem Tag auf den anderen mussten wir uns auf die Arbeit im Homeoffice umstellen und unsere gesamte Jahresplanung stand in Frage, von Ferien- und Wochenendfahrten bis zu unserer Juleica-Schulung. Da sich die Informationen rund um Corona und Gruppenangebote ständig geändert haben, war es für uns sehr herausfordernd, die kommende Zeit zu planen und Entscheidungen über die Umsetzung unserer Angebote zu treffen. Wir haben nun – unter Beachtung der vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Jugendarbeit – neue Angebote in Kooperation mit einigen Bezirksämtern entwickelt, um Jugendlichen trotz – beziehungsweise vor allem während solcher Zeiten – einen erholsamen Sommer bieten zu können. Auch wenn viele Präsenz-Angebote weggefallen sind, haben wir versucht, schnellstmöglich zu reagieren, um weiterhin unsere Zielgruppe zu erreichen.
Mir ist aufgefallen, dass ihr seit Beginn der Einschränkungen sehr verstärkt in den sozialen Medien aktiv seid. Inwiefern eignen sich Facebook und Co, um Jugendarbeit zu betreiben?
Unsere Zielgruppe besteht vorwiegend aus Jugendlichen und jungen Menschen, aus deren Leben die modernen Medien kaum wegzudenken sind. Über unsere Social-Media-Kanäle können wir sehr niedrigschwellig an unsere Zielgruppe herantreten, Kontakt aufnehmen und politische und humanistische Werte und Inhalte vermitteln. Vor allem zwischen März und Mai, als wegen der Corona-Pandemie strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen galten und wir keine Präsenz-Veranstaltungen durchführen konnten, haben wir unsere Präsenz bei Facebook und Instagram ausgebaut. Wir wollten zeigen, dass es uns JuHus trotzdem noch gibt, uns bestimmte Themen weiterhin wichtig sind und wir für diese einstehen wollen.
Ihr habt in den vergangenen Wochen auch digitale Workshops oder Vorträge angeboten, zum Beispiel zu den Themen Nachhaltigkeit, Geschlecht und Feminismus oder zu ziviler Seenotrettung. Wie wurden eure digitalen Angebote auf- und angenommen?
Unsere Workshops wurden inhaltlich allesamt von unseren ehrenamtlichen JuHus organisiert. Von den Jugendlichen und jungen Menschen, die an den Workshops teilgenommen haben, gab es insgesamt gutes Feedback zu den Inhalten und der jeweiligen Umsetzung. Allerdings war die Anzahl der Teilnehmer*innen bei allen Workshops eher überschaubar. Wir hätten uns gerne noch mehr neue Gesichter gewünscht, weil uns die Inhalte sehr am Herzen liegen und wir diese gern mit mehr Menschen geteilt und diskutiert hätten. Unsere "Workshop-Reihe" lief von April bis Juni. Jetzt, wo es aufgrund der Lockerungen wieder möglich ist, wollen wir uns wieder auf physische Veranstaltungen konzentrieren.
Welche Themen sind für euch aktuell besonders wichtig? Sind es andere Themen als noch vor "Corona"?
Grundsätzlich steht JuHu für humanistische Werte ein: für eine tolerante, demokratische und inklusive Gesellschaft, in der Diskriminierung, Rassismus und Sexismus keinen Platz haben. Mit Themen wie diesen haben wir uns sowohl vor als auch während Corona-Zeiten beschäftigt. Jedoch sind durch die Pandemie und die damit einhergehenden Probleme einige Themenkomplexe wie Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch oder die Situation in einigen Geflüchtetenlagern noch mehr in unseren Fokus geraten. Auf diese Themen wollten wir vor allem auf unseren Social-Media-Kanälen aufmerksam machen.
Die Art und Weise der Vermittlung unserer Werte und Themen sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Durch die Neuorganisation der Sommerferien und die Einhaltung der Corona-Maßnahmen sind wir hier vor neue Herausforderungen in der Angebotsgestaltung gestellt und geben unser Bestes, diese so gut wie möglich umzusetzen.
Was hat es mit eurer »unbezahlten Werbung« für Bücher auf euren Social-Media-Kanälen auf sich?
Auf der Suche nach Alternativ-Formaten, die ohne Präsenz stattfinden können, kam die Idee auf, Buchtipps zu präsentieren. Viele Menschen haben vermehrt Zeit zu Hause verbracht und durch den Schulausfall hatte unsere Zielgruppe auch mehr Freizeit. Wir dachten, dass dies eine gute Möglichkeit sein könnte, dazu zu animieren, mal das Handy aus der Hand zu legen und ein Buch zu lesen. Gleichzeitig konnten wir mit der Auswahl der Bücher unsere "JuHu-Themen" verbreiten und zum Weiterbilden inspirieren. Die Buchtipps wurden vor allem von unseren aktiven JuHus verfasst, um unseren Ehrenamtlichen einen Raum zur Partizipation zu geben.
Was nehmt ihr aus den letzten Monaten mit?
Ganz nach dem Ansatz "Krise als Chance" haben wir die neuen Herausforderungen zum Anlass genommen, um neue Formate zu organisieren und auszuprobieren. Wir haben uns mit komplett neuen Konzepten zur Umsetzung von Jugendverbandsarbeit befasst, an die wir letztes Jahr noch gar nicht gedacht hatten.
Wir haben aber auch festgestellt, dass Jugendverbandsarbeit für uns sehr viel mit Präsenz zu tun hat und kaum machbar ist ohne Veranstaltungen im realen Leben. Sowohl die Büroarbeit ist mühsamer aus dem Homeoffice als auch die Organisation und Durchführung unserer Angebote. Jugendverbandsarbeit ist für uns nicht nur die Übermittlung und Diskussion von Themen, sondern auch das damit einhergehende Gruppengefühl, die zwischenmenschlichen Beziehungen und das Bewusstsein, gemeinsam etwas zu schaffen.
Mir ist es dabei wichtig zu betonen, dass JuHu mehr ist als nur Sommerreisen oder Wochenendfahrten. Bei uns kann man außerdem coole Leute bei verschiedenen Formaten wie der Juleica-Schulung, einzelnen Workshops oder Demo-Vorbereitungen kennenlernen und sich gemeinsam für politische Themen engagieren. Es gibt dabei ganz unterschiedliche Möglichkeiten, ehrenamtlich aktiv zu werden, eigene Ideen einzubringen und das Jugendverbandsleben mitzugestalten.
Danke für das Interview!