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Unser Selbstverständnis

Das menschliche Leben kennt Höhen und Tiefen, Licht und Schatten. Es kann Freude und Genuss sein: Schauen und bewegen, lieben und spielen, achten und unterstützen, sich binden und sich befreien, lachen und tanzen, anstrengen und entspannen. Menschen erfahren in ihrem Leben aber auch schweres Leid,  Verletzung, Trauer und Vereinsamung. Wir leben in einer Welt, in der mehr als eine Milliarde Menschen hungern, Kriege ganze Länder verwüsten, Menschen terrorisiert werden und religiöse wie politische Diktaturen den Menschen ihre Freiheit nehmen. Kriege, Unterdrückung und Ausbeutung gilt es zu bekämpfen, und zwar zuerst hier bei uns.

Wir Humanist_innen des Humanistischen Verbandes Deutschlands bejahen das menschliche Leben. Wir sind von der Möglichkeit der Verbesserung menschlicher Lebensbedingungen durch die Menschen überzeugt. Eine humanere Welt ist möglich. Dafür treten wir leidenschaftlich und gemeinsam ein.

Menschenrechte, Humanität und Solidarität

Weltweit müssen Menschenrechte verteidigt oder sogar erst erkämpft werden. Religionen radikalisieren sich in vielen Ländern und werden politisch missbraucht. Nichtreligiöse, aber auch Andersgläubige werden verfolgt und mit dem Tod bedroht.

In Deutschland leben Humanist_innen in einer Gesellschaft, in der über ethische Fragen debattiert und gestritten wird: Menschenwürde, Meinungsfreiheit, Biotechnologien, Wertevermittlung, Asylpolitik oder die Verteilung des Reichtums.

Ebenso wird kontrovers über die Selbstbestimmungsrechte der Menschen diskutiert. Dabei geht es etwa um die Gleichstellung von Frauen oder um verschiedene sexuelle Orientierungen, um Schwangerschaftsabbruch oder Sterbehilfe.

Der Humanistische Verband nimmt an diesen Debatten mit eigenen Positionen teil und versteht sich dabei als Teil einer globalen humanistischen Bewegung für Emanzipation, Solidarität und Freiheitsrechte. Er organisiert seinen Humanismus als Weltanschauung, die praktische Hilfen und Unterstützung für Menschen anbietet. Er bekennt sich zu den Menschenrechten und zur Humanität.

Der Begriff Humanität ist älter als das Christentum und lässt sich zurückverfolgen bis in die europäische Antike. Er hatte schon dort die Bedeutung einer "Gleichheit aller Menschen "sowie von "Bildung" - im weiten Sinn einer Zivilisierung – und "Barmherzigkeit". Beispielhaft bei Cicero:

"Die Natur schreibt auch das vor, dass der Mensch dem Menschen, wer immer es sei, helfen wolle."

In diesem Sinne hat der Humanistische Verband seine praktische Arbeit aufgebaut.

Religion und Weltanschauung in Deutschland

Ein Drittel der deutschen Bevölkerung ist nicht religiös. Ihr Anteil wird von Jahr zu Jahr größer, während die Mitgliedszahlen der Kirchen sinken. Religionen wie der Islam treten selbstbewusst auf und fordern ihre Gleichbehandlung. Nichtreligiöse Menschen sind dagegen kaum organisiert und haben selten ein Bedürfnis, ihre Lebensauffassung anderen aufzudrängen. Daraus resultiert eine bislang schwache Interessenvertretung dieses immer größer werdenden Teils der Bevölkerung. Der Humanistische Verband möchte dies ändern!

Aber kann der Humanistische Verband für dieses Drittel der Bevölkerung sprechen? Um das zu klären, wurden viele Umfragen in der deutschen Bevölkerung durchgeführt. Nach einer Meinungsbefragung des Emnid-Instituts aus dem Jahr 2014 stimmen 29 % voll und ganz und 35 % eher der folgenden Aussage zu:

"Ich führe ein selbstbestimmtes Leben, das auf ethischen und moralischen Grundüberzeugungen beruht und frei ist von Religion und Glauben an einen Gott."

In der deutschen Bevölkerung spielt Religion eine wesentlich geringere Rolle als die Mitgliederzahlen der Kirchen noch vermuten lassen.

Auf eine weitere Frage, ob die nichtreligiösen Menschen eine Interessenvertretung wie den Humanistischen Verband wünschen, antworten 31 % der Deutschen mit Ja, und 22 % erklären sich bereit, diesen Verband ehrenamtlich oder als Mitglied zu unterstützen.

Heute ist der Humanistische Verband eine anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft und den Religionsgemeinschaften rechtlich gleichgestellt. Im Artikel 140 (i.V.m.Art.137 WRV) des Grundgesetzes wird formuliert:

"Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen."

Das Bundesverwaltungsgericht bezeichnet den Unterschied von Weltanschauung und Religion wie folgt:

"… dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende (‚transzendente‘) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche (‚immanente‘) Bezüge beschränkt." (BVerwG, 112 [115]).

Dem gleichberechtigten Nebeneinander von Weltanschauung und Religion in Deutschland ist damit zwar der rechtliche Rahmen gegeben, aber zu einer wirklichen Gleichbehandlung ist noch ein weiter Weg.

Eine lange Tradition

Humanistisches Denken ist mehr als 2.500 Jahre alt. Es wurzelt in der Antike, in der Renaissance und in den Ideen der europäischen Aufklärung, die den "Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit" (Kant) forderte.  Humanistisches Denken ist wissenschaftlich und philosophisch begründet. Es ist geschichtsbewusst und für ständige Weiterentwicklung offen. Männer wie Sokrates, Epikur, Cicero, Erasmus von Rotterdam, Galilei, Voltaire, Hume, Herder,  Kant, Feuerbach, Darwin, Marx, Freud, Sartre oder Russell haben die Welt verändert. Der wichtige Beitrag von Frauen für diese Entwicklung wurde lange vernachlässigt. Erst in neuer Zeit ist die Bedeutung von beispielsweise Sappho, Hypatia, Olympe de Gouges, Mary Wollstonecraft, Bertha von Suttner oder Simone de Beauvoir herausgearbeitet worden.

Heute betont der "Vertrag über die Europäische Union" die Bedeutung des Humanismus für die Mitgliedsstaaten. Schon in der Präambel wird die kulturelle Tradition benannt, auf die sich die Europäische Union bezieht:

"Schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben (…)".

Der Humanistische Verband ist Mitglied der Europäischen Humanistischen Föderation (EHF) und der Internationalen Humanistischen und Ethischen Union (IHEU). Beide haben beratende Funktion bei der Europäischen Union und den Vereinten Nationen.

Kontakt

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Christian Lisker
Referent für praktischen Humanismus
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